Globale Ungleichheit erreicht Rekordniveau – Nobelpreisträger fordert radikale Wende

Globale Ungleichheit erreicht ein Rekordniveau – ein Prozent besitzt 41 Prozent des Vermögens, Milliarden gehen fast leer aus.

Nobelpreisträger warnt: Globale Ungleichheit bedroht Demokratien

Sechs Wirtschaftsexperten um Joseph Stiglitz haben vor dem G20-Gipfel in Johannesburg einen Bericht zur globalen Ungleichheit vorgelegt. © Wikimedia

Während ein kleiner Teil der Menschheit immer reicher wird, bleibt für Milliarden kaum Vermögenszuwachs. Seit dem Jahr 2000 hat das reichste ein Prozent der Weltbevölkerung im Schnitt über eine Million Euro pro Kopf hinzugewonnen. Die ärmsten 50 Prozent kamen im gleichen Zeitraum auf gerade einmal 500 Euro. Diese extreme Vermögenslücke steht im Zentrum eines neuen Berichts über globale Ungleichheit, den ein internationales Expertenteam im Auftrag der südafrikanischen G20-Präsidentschaft vorgelegt hat.

Die Autoren sprechen von einem „Ungleichheitsnotstand“. Ihrer Einschätzung nach gefährdet die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch die Stabilität demokratischer Systeme. Der Bericht wurde am 4. November 2025 beim G20-Gipfel in Johannesburg vorgestellt.

Immer mehr Vermögen bei wenigen Menschen

Die Daten stammen vom World Inequality Lab. Sie zeigen, wie sich der Großteil des globalen Wohlstands bei einer kleinen, wohlhabenden Gruppe sammelt. Der Rest der Bevölkerung bleibt weitgehend ausgeschlossen.

Ein weiterer Punkt gibt Anlass zur Sorge: In den kommenden zehn Jahren sollen weltweit rund 70 Billionen US-Dollar vererbt werden – umgerechnet etwa 66 Billionen Euro. Diese Konzentration vererbter Vermögen könnte die globale Ungleichheit weiter verschärfen. Denn große Vermögen wachsen über Generationen hinweg weiter, während soziale Aufstiegschancen sinken.

Vererbte Milliarden verfestigen Ungleichheit

Der italienische Ökonom Salvatore Morelli hat für den Bericht berechnet, dass bis 2035 rund 70 Billionen US-Dollar an die nächste Generation weitergegeben werden. Ohne politische Gegensteuerung – etwa durch Erbschaftssteuern oder eine gerechtere Besteuerung großer Vermögen – droht eine dauerhafte Vermögensvererbung an der gesellschaftlichen Mehrheit vorbei.

Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger und Vorsitzender der Kommission, sagt:

Die Welt versteht, dass wir eine Klimakrise haben. Es ist an der Zeit zu erkennen, dass wir auch eine Ungleichheitskrise haben.

Ungleichheit sei nicht nur ungerecht, sondern schade auch der Wirtschaft und untergrabe die Demokratie.

Ungleichheit schwächt demokratische Systeme

Laut Bericht sind 83 Prozent aller Staaten, in denen rund 90 Prozent der Weltbevölkerung leben, von hoher Ungleichheit betroffen. In diesen Ländern sei die Wahrscheinlichkeit eines demokratischen Rückschritts siebenmal höher als in gleicheren Gesellschaften.

Zudem wirken sich Krisen wie die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und neue Handelskonflikte zusätzlich negativ aus. Die Autoren sprechen von einem „perfekten Sturm“, der Armut und soziale Spaltung weiter verschärft. Laut Bericht kann sich aktuell ein Viertel der Weltbevölkerung nicht regelmäßig ernähren.

Neues Weltgremium soll gegensteuern

Um wirksame Antworten zu finden, empfiehlt das Expertengremium die Gründung eines „International Panel on Inequality“. Dieses soll nach dem Vorbild des Weltklimarats funktionieren, Daten sammeln, Ursachen analysieren und politische Lösungen vergleichen. Ziel sei es, die globale Ungleichheit langfristig zu beobachten und gezielt einzudämmen. Deutschland und andere Staaten haben bereits Zustimmung signalisiert.

Auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa unterstützt das Vorhaben. Er sagte: „Ungleichheit ist ein Verrat an der Würde der Menschen, ein Hindernis für inklusives Wachstum und eine Gefahr für die Demokratie selbst.“ Der Bericht sei ein „konkreter Fahrplan für mehr Gleichheit“.

Konkrete Reformvorschläge auf dem Tisch

Das Gremium empfiehlt:

  • eine internationale Erbschaftssteuer auf sehr große Vermögen
  • höhere Investitionen in Bildung und Gesundheitsversorgung
  • eine gerechtere Besteuerung multinationaler Unternehmen
  • stärkere Arbeitnehmerrechte weltweit

Der G20-Gipfel in Johannesburg bietet dafür die Plattform. Neben den 19 Mitgliedstaaten nehmen auch die EU und erstmals die Afrikanische Union teil. Die Teilnehmer repräsentieren rund 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Südafrika nutzt seine Präsidentschaft, um das Thema globale Ungleichheit dauerhaft auf die internationale Agenda zu setzen.

Kurz zusammengefasst:

  • Das oberste ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt seit dem Jahr 2000 rund 41 Prozent des globalen Vermögenszuwachses, während die ärmere Hälfte kaum profitiert – im Schnitt nur um etwa 500 Euro pro Kopf.
  • Laut World Inequality Lab und Joseph Stiglitz gefährdet diese globale Ungleichheit die wirtschaftliche Stabilität und Demokratie; Länder mit hoher Vermögenskonzentration erleben siebenmal häufiger politische Rückschritte.
  • Das Expertengremium fordert internationale Reformen – darunter eine weltweite Erbschaftssteuer, mehr Investitionen in Bildung und Gesundheit sowie ein globales Ungleichheitsgremium nach Vorbild des Weltklimarats.

Übrigens: Die Corona-Pandemie hat die globale Ungleichheit auch beim Zugang zu Gesundheit schonungslos offengelegt. Warum arme Regionen so viel stärker litten und welche Lehren Experten daraus ziehen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Greg Salibian / Fronteiras do Pensamento via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0

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