Wenn kein Tropfen fällt: Was Wiener Forscher über die Wolkenimpfung herausgefunden haben
Forscher der TU Wien zeigen, warum künstlicher Regen nur unter bestimmten Bedingungen entsteht – und welche Rolle Silberiodid dabei spielt.
                Rund um den Globus versuchen Meteorologen, Wolken mit Chemikalien zu impfen – in der Hoffnung, Regen auszulösen oder Hagel zu stoppen. © Wikimedia
Wolken zu „impfen“, also gezielt zum Regnen zu bringen, gilt in vielen Ländern als Hoffnung gegen Dürre und Luftverschmutzung. Dabei werden winzige Partikel aus Silberiodid in die Atmosphäre geschossen, um die Bildung von Eiskristallen anzuregen.
Das Prinzip klingt einfach: An diesen Partikeln lagern sich Wassermoleküle an, bilden Eiskristalle und schließlich Regentropfen. Doch ob die Methode funktioniert, hängt von vielen Faktoren ab – vor allem von Feuchtigkeit, Temperatur und Wind.
Wolkenimpfung mit Silberiodid in Neu Delhi gescheitert
In der indischen Hauptstadt Neu Delhi sollte Wolkenimpfung helfen, die dichte Smogdecke zu vertreiben. Zwei Flugzeuge versprühten Ende Oktober Silberiodid und Salz in den Himmel – doch der ersehnte Regen blieb aus. Meteorologen registrierten nur minimale Niederschläge – kaum mehr als ein bis zwei Zehntel Millimeter, also gerade genug, um den Asphalt leicht zu befeuchten.
Die Luftqualität besserte sich nicht. Fachleute erklärten, dass die Wolken zu trocken und instabil gewesen seien. Ohne ausreichend Wassertröpfchen kann Silberiodid keine Eisbildung anstoßen – und damit auch keinen Regen. „Die Ausgangsbedingungen waren einfach nicht da“, sagten Verantwortliche des Indian Institute of Technology Kanpur laut ndtv.
In China klappt die Wolkenimpfung – unter anderen Bedingungen
Ganz anders in China: Dort wurden im Frühjahr 2025 in der Region Xinjiang sowie in weiteren Provinzen mehrere Wolkenimpfungen durchgeführt – mit messbarem Erfolg. Laut offiziellen Angaben stieg die Niederschlagsmenge um rund fünf Prozent, verteilt über eine Fläche von mehr als 8.000 Quadratkilometern.
Entscheidend war das richtige Timing: Die Wolken waren feucht genug, und Drohnen brachten die Silberiodid-Partikel gezielt in geeignete Luftschichten ein. Unter solchen Bedingungen kann sich tatsächlich Regen bilden.
Forscher sprechen von einem schmalen Fenster, in dem Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Windrichtung exakt stimmen müssen. Fehlt einer dieser Faktoren, verpufft die Wirkung.
Forscher entschlüsseln, warum Silberiodid wirkt
Warum Silberiodid überhaupt als Regenauslöser taugt, hat ein Team der TU Wien jetzt auf atomarer Ebene untersucht. Mit hochauflösender Mikroskopie und Computersimulationen konnten die Forscher in ihrer Studie zeigen, dass nur eine bestimmte Seite des Materials aktiv ist – die Oberfläche aus Silberatomen. „Zur Keimbildung trägt aber nur die Silber-Oberfläche bei“, so Studienleiter Jan Balajka. Sie bildet ein sechseckiges Muster, das exakt der Struktur von Eiskristallen entspricht.
Auf der gegenüberliegenden Seite, die aus Jodatomen besteht, entstehen dagegen keine Eisschichten, sondern unregelmäßige Strukturen. Erst diese Erkenntnis macht verständlich, warum Wolkenimpfung mit Silberiodid manchmal erstaunlich gut funktioniert – und manchmal gar nicht.

Wie Forscher den Prozess sichtbar machten
Um diesen Mechanismus nachzuweisen, spaltete das Wiener Team Silberiodid-Kristalle im Ultrahochvakuum und bei extrem tiefen Temperaturen. So entstanden makellose Oberflächen, die weder Luft noch Feuchtigkeit ausgesetzt waren. Mit einem Rasterkraftmikroskop machten sie einzelne Atome sichtbar und simulierten, wie sich Wasser daran anlagert. „Wir konnten erstmals sehen, wie sich Wassermoleküle tatsächlich auf den Silber- und Jod-Schichten verhalten“, erklärt Balajka.
Die Bilder zeigen: Auf der Silberseite bilden Wassermoleküle ein regelmäßiges Netzwerk, auf dem Eis wachsen kann. Auf der Jodseite bleibt das Muster instabil. Dieses Wissen könnte künftig helfen, alternative Materialien zu entwickeln, die umweltfreundlicher und gezielter wirken.
Warum Wolkenimpfung weiter umstritten bleibt
Mehr als 50 Länder weltweit nutzen oder testen Wolkenimpfung, von den USA über China bis zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch die Methode bleibt umstritten. Sie kann Regen verstärken, aber nicht auslösen, wenn keine geeigneten Wolken vorhanden sind. In trockenen Regionen bleibt der Effekt daher gering.
Kritiker warnen zudem vor möglichen Nebenwirkungen: Das eingesetzte Silberiodid reichert sich in Böden und Gewässern an, seine langfristigen Folgen sind kaum erforscht. Auch der Eingriff in lokale Wettersysteme ist nicht ohne Risiko – veränderter Niederschlag in einer Region kann andernorts zu Wasserknappheit führen.
Befürworter sehen darin dennoch ein Werkzeug, um extreme Dürreperioden abzumildern oder Feinstaub aus der Luft zu waschen.
Wie das Wissen über Silberoberflächen künftige Wettertechnologien verändert
Die Erkenntnisse aus Wien könnten langfristig neue Wege für gezielte Wettersteuerung eröffnen. Wenn klar ist, welche atomaren Strukturen die Eisbildung anstoßen, lassen sich Materialien entwickeln, die denselben Effekt auslösen – aber ohne die Umweltbelastung durch Silberverbindungen. Denkbar sind Partikel auf Salzbasis oder organische Substanzen, die sich in der Atmosphäre rasch abbauen.
Auch die Steuerung selbst könnte präziser werden. Statt großflächig Silberiodid zu versprühen, könnten Drohnen künftig winzige Mengen an exakt berechneten Punkten freisetzen – nur dort, wo sich feuchte, kalte Luftschichten überlagern. So ließe sich der Einsatz effizienter und kontrollierter gestalten.
Kurz zusammengefasst:
- Wolkenimpfung nutzt winzige Silberiodid-Partikel, um Regen auszulösen – doch sie funktioniert nur, wenn Wolken genügend Feuchtigkeit enthalten.
 - Forscher der TU Wien entdeckten, dass nur die Silberseite der Partikel Eiskristalle wachsen lässt, während die Jodseite wirkungslos bleibt.
 - Das neue Wissen könnte helfen, umweltfreundlichere Materialien zu entwickeln und künstlichen Regen gezielter einzusetzen.
 
Übrigens: Nicht nur bei der Wolkenimpfung spielt die Eisbildung eine Schlüsselrolle – auch in der Klimaforschung sind Wolken der große Unsicherheitsfaktor. Wie stark sie die Erde künftig kühlen oder erwärmen, hängt davon ab, wie sich ihre Struktur in einer heißeren Welt verändert. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © W.carter via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      
                      