Wie die Bauindustrie allein bis 2040 das Zwei-Grad-Ziel kippen könnte

Die Bauindustrie verursacht ein Drittel aller globalen CO2-Emissionen – und könnte schon bis 2040 allein das Zwei-Grad-Ziel überschreiten.

Wie die Bauindustrie allein das Zwei-Grad-Ziel kippen könnte

Zement, Stahl und Ziegel befeuern die Erderwärmung: Der Bau boomt – und könnte allein das Zwei-Grad-Ziel kippen. © Pexels

Der Bausektor verursacht mittlerweile ein Drittel der globalen CO2-Emissionen, vor 30 Jahren waren es erst 20 Prozent. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnte die Bauindustrie schon bis 2040 allein das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens kippen – jenes Ziel, das als letzte Grenze gilt, um unumkehrbare Klimafolgen zu verhindern, nachdem das 1,5-Grad-Limit kaum noch erreichbar ist. Das zeigt eine internationale Studie unter Beteiligung der Peking University, die im Fachjournal Communications Earth & Environment erschienen ist.

Und bis 2050 könnte der CO2-Ausstoß der Bauindustrie noch einmal auf mehr als das Doppelte des heutigen Werts steigen. Die Forscher warnen: Ohne eine radikale Wende bei Materialien und Bauweisen wird der Sektor zum größten Klimarisiko der kommenden Jahrzehnte.

Zement, Stahl und Ziegel treiben CO2-Emissionen der Bauindustrie rasant nach oben

Laut der Studie stammen mehr als die Hälfte der Bauemissionen aus Zement, Ziegeln und Metallen. Zement allein verursacht rund 28 Prozent des gesamten Ausstoßes, Stahl und andere Metalle etwa 15 Prozent. Damit hängen über 55 Prozent der CO2-Emissionen der Bauindustrie direkt an Materialien, die kaum ersetzt werden – und deren Nachfrage weiter wächst.

Transport, Maschinen und Dienstleistungen tragen mit rund 37 Prozent zum Rest bei. Glas, Kunststoffe und biobasierte Stoffe spielen mit etwa sechs Prozent nur eine Nebenrolle. Die Forscher sprechen von einer „Materialfalle“, weil die Branche immer stärker von klimaschädlichen Baustoffen abhängt.

Entwicklungsländer bauen sich in die Klimakrise

Besonders in Schwellenländern wächst der Ausstoß rapide. China steht mit fast der Hälfte der weltweiten Bauemissionen inzwischen an der Spitze, gefolgt von Indien. Während sich die Emissionen in Europa und Nordamerika stabilisiert haben, steigen sie in Asien, Afrika und dem Mittleren Osten ungebremst.

Der Grund ist einfach: In schnell wachsenden Städten werden neue Straßen, Wohnungen und Fabriken benötigt. Das Baumaterial dafür besteht meist aus Beton und Stahl – billig, verfügbar und stabil. Doch jedes neue Hochhaus und jede Brücke erhöhen den CO2-Ausstoß weiter.

Das Zwei-Grad-Ziel gerät aus dem Blick

Die Forscher warnen: Selbst wenn alle anderen Sektoren ihre Emissionen auf null senken würden, reiche der Bausektor allein, um die Pariser Klimaziele zu verfehlen. Ihr Modell zeigt, dass das 1,5-Grad-Ziel bereits ab 2025 unerreichbar wird. Für das Zwei-Grad-Ziel bleibt nur bis etwa 2040 Zeit.

Die Studie berechnet, dass sich die kumulierten Emissionen der Bauindustrie zwischen 2023 und 2050 auf rund 440 Milliarden Tonnen CO2 summieren. Damit wäre das gesamte CO2-Budget für das 1,5-Grad-Ziel weg – und das für 2 Grad fast vollständig aufgebraucht.

Forscher fordern „Materialrevolution“ im Bauwesen

„Um die Ziele von Paris zu erreichen, müssen wir die Materialien, die unsere Städte formen, neu erfinden“, erklärt Co-Autor Hans Joachim Schellnhuber vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse. Gemeint ist ein globaler Wechsel zu klimafreundlicheren Baustoffen – etwa Holz, Bambus oder recycelten Verbundstoffen.

Diese Materialien speichern CO2 oder verursachen bei der Herstellung deutlich weniger Emissionen. Damit sie jedoch konkurrenzfähig werden, muss massiv investiert werden. Die Forscher sehen besonders in der Maschinen- und Anlagenindustrie einen Hebel, um Produktionsprozesse umzubauen und neue Materialien großflächig einzusetzen.

Wege zu klimafreundlichem Bauen

Einige Länder experimentieren bereits mit emissionsarmen Zementen oder Beton, der CO2 binden kann. Doch die Studie zeigt, dass solche Ansätze noch zu vereinzelt sind. Die weltweite Bauindustrie bleibt träge – angetrieben von alten Normen, hohen Kosten und mangelnden Anreizen für nachhaltige Alternativen.

„Der Bausektor ist einer der am schwierigsten zu dekarbonisierenden Bereiche“, schreiben die Autoren. „Seine Strukturen haben sich über Jahrzehnte verfestigt, und das Wachstum hält ungebremst an.“ Damit wird jeder neu gebaute Quadratmeter Wohn- oder Nutzfläche zu einem CO2-Problem der Zukunft.

Anpassung an regionale Realitäten

Laut den Experten ist ein weltweiter Standard keine geeignete Lösung. Jedes Land brauche eigene Strategien – abhängig von wirtschaftlicher Lage, verfügbarem Material und Bevölkerungswachstum. In reichen Ländern könnten Recycling und modulare Bauweisen helfen, in ärmeren Regionen lokal verfügbare Naturmaterialien.

Gleichzeitig warnen sie vor Nebenwirkungen: Der Einsatz biobasierter Materialien darf nicht zu Entwaldung oder Flächenkonkurrenz mit der Landwirtschaft führen. Nachhaltige Zertifizierung und klare Baustandards sind deshalb unerlässlich.

Die Zahlen sprechen für sich: Die Bauindustrie produziert heute mehr CO2 als der gesamte globale Verkehr. Wenn der Trend anhält, ist das Zwei-Grad-Ziel in 15 Jahren passé. Für die Forscher ist das kein theoretisches Szenario, sondern eine klare Warnung – und ein Auftrag für Politik und Wirtschaft, das Fundament des Bauens neu zu denken.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Bauindustrie verursacht heute rund ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen – mehr als Verkehr oder Energieerzeugung.
  • Zement, Stahl und Ziegel sind die Hauptverursacher, ihr Einsatz lässt die Emissionen besonders in Schwellenländern weiter steigen.
  • Wenn sich dieser Trend fortsetzt, überschreitet der Bausektor bis 2040 allein das Zwei-Grad-Ziel – eine Umstellung auf klimafreundliche Materialien ist daher entscheidend.

Übrigens: Während Beton und Stahl das Klima belasten, könnte Beton selbst bald Teil der Lösung werden – als Stromspeicher, der ganze Städte mit Energie versorgt. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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