12.000 Hirnscans belegen: Das Gehirn schrumpft bei Männern stärker als bei Frauen
Das Gehirn schrumpft bei Männern messbar schneller als bei Frauen, zeigen über 12.000 Scans – ein Hinweis auf geschlechtsspezifisches Altern.

Das menschliche Gehirn verliert im Laufe des Lebens an Volumen. Bei Alzheimer-Patienten ist dieser Substanzverlust besonders stark ausgeprägt. © Pexels
Im Alter schrumpft das Gehirn bei allen Menschen – doch bei Männern offenbar stärker als bei Frauen. Das zeigt eine neue Analyse von über 40.000 MRT-Aufnahmen gesunder Erwachsener. Demnach verlieren Männer in deutlich mehr Hirnregionen an Volumen, obwohl sie seltener an Alzheimer erkranken.
Gerade dieser Widerspruch sorgt für neue Diskussionen. Denn bislang vermuteten viele, dass das höhere Alzheimer-Risiko bei Frauen auf einen stärkeren Abbau ihrer Hirnstruktur zurückgeht. Doch die aktuellen Daten sprechen eine andere Sprache.
Datenbasis: 12.600 Hirnscans aus 14 Studien
Ein Forschungsteam der Universität Oslo analysierte die Hirndaten von 4.726 Menschen im Alter von 17 bis 95 Jahren. Alle Teilnehmer unterzogen sich mindestens zweimal im Abstand von mehreren Jahren einem MRT-Scan. Untersucht wurden unter anderem:
- die Dicke der Großhirnrinde,
- die Oberfläche verschiedener Hirnregionen,
- das Volumen grauer und weißer Substanz,
- sowie strukturelle Veränderungen in tieferliegenden Bereichen.
Männer verlieren mit dem Alter in mehr Hirnregionen an Substanz
Bei Männern nahm die Hirnsubstanz in mehr Bereichen ab als bei Frauen – sowohl in der Dicke der Rinde als auch in der Oberfläche und im Volumen. Besonders deutlich zeigte sich das im Pericalcarine-Cortex, einem Areal im hinteren Teil des Gehirns, das an der visuellen Wahrnehmung beteiligt ist. Dort verringerte sich die Dicke bei Männern innerhalb von zehn Jahren von 1,68 auf 1,64 Millimeter – ein Rückgang von rund 0,24 Prozent pro Jahr. Bei Frauen lag der Wert im gleichen Zeitraum nur bei 0,14 Prozent.
Ähnliche Unterschiede fanden die Forscher auch im Parahippocampus und im Cuneus, die an Erinnerung und Orientierung beteiligt sind. Mit steigendem Alter schrumpften bei Männern zudem Regionen stärker, die für Bewegung, Motivation und Gedächtnis wichtig sind – darunter der Nucleus accumbens, das Putamen, das Pallidum und der Thalamus.
Gehirn schrumpft bei beiden Geschlechtern – aber unterschiedlich
Während Männer schneller an Hirnmasse verlieren, verändern sich bei Frauen andere Strukturen. Besonders auffällig war eine stärkere Erweiterung der Hirnventrikel, also der flüssigkeitsgefüllten Hohlräume im Gehirn. Auch dies gilt als altersbedingte Veränderung, verläuft aber weniger gleichförmig als der volumetrische Abbau bei Männern.
Der Hippocampus, eine zentrale Struktur für Lernen und Erinnern, war bei beiden Geschlechtern zunächst ähnlich betroffen. Erst nach Einbeziehung der unterschiedlichen Lebenserwartung zeigte sich bei älteren Frauen ein etwas stärkerer Rückgang. Den Forschern zufolge reicht dies nicht jedoch aus, um die höhere Alzheimer-Häufigkeit bei Frauen zu erklären.
Alzheimer-Risiko hat offenbar andere Ursachen
„Wenn Frauen schneller an Alzheimer erkranken würden, weil ihr Gehirn schneller abbaut, hätten wir stärkere Rückgänge erwartet – das war aber nicht der Fall“, sagt Studienautorin Anne Ravndal von der Universität Oslo. Die Unterschiede im altersbedingten Hirnabbau seien zwar messbar, aber zu gering, um den Geschlechterunterschied bei der Diagnosehäufigkeit zu erklären.
Die Forscher sehen stattdessen andere Einflussfaktoren:
- Frauen haben eine höhere Lebenserwartung – damit steigt das Risiko für Demenz mit zunehmendem Alter.
- Das APOE4-Risikoallel, ein genetischer Faktor, beeinflusst bei Frauen Alzheimer-Marker offenbar stärker.
- Auch hormonelle Umstellungen während der Wechseljahre könnten eine Rolle spielen.
Ob und wie diese Unterschiede mit Krankheiten wie Alzheimer zusammenhängen, bleibt weiter offen. Fest steht jedoch: Die neuen Daten liefern eine wichtige Grundlage, um Prävention und Diagnostik besser auf Männer und Frauen zuzuschneiden.
Kurz zusammengefasst:
- Das Gehirn schrumpft bei Männern im Alter schneller als bei Frauen – sie verlieren in mehr Hirnregionen an Substanz.
- Frauen zeigen andere Veränderungen, etwa eine stärkere Erweiterung der Hirnventrikel, ihr Gehirn schrumpft jedoch insgesamt langsamer.
- Den Experten zufolge reichen diese Unterschiede nicht aus, um die höhere Alzheimer-Rate bei Frauen zu erklären, sie liefern aber wichtige Ansätze für weitere Forschung.
Übrigens: Fett im Körper kann das Gehirn beeinflussen – stärker als lange gedacht. Kleine Teilchen aus dem Fettgewebe gelangen ins Gehirn und fördern dort Ablagerungen, die typisch für Alzheimer sind. Mehr dazu in unserem Artikel.
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