Forscher schlagen vierte Ampelfarbe vor – sie könnte Staus eines Tages fast komplett verhindern
Eine vierte Ampelfarbe soll Kreuzungen smarter machen – autonome Fahrzeuge übernehmen dabei selbst die Verkehrssteuerung.

Eine vierte Ampelfarbe soll den Verkehrsfluss verbessern – Simulationen zeigen bis zu 94 Prozent weniger Wartezeit an Kreuzungen. © Unsplash
An vielen Kreuzungen steht der Verkehr regelmäßig still. Vor allem in Städten kostet das Zeit, Nerven und jede Menge Energie. Ingenieure der North Carolina State University haben eine Idee entwickelt, die dieses Problem künftig deutlich verringern könnte: eine vierte Ampelfarbe. Sie soll den Moment anzeigen, in dem selbstfahrende Autos den Verkehr an der Kreuzung eigenständig regeln.
Während dieser sogenannten „weißen Phase“ übernehmen autonome Fahrzeuge für kurze Zeit die Kontrolle über den Verkehrsfluss. Sie tauschen Daten untereinander aus, stimmen ihre Bewegungen ab und führen die übrigen Autos sicher durch die Kreuzung. Für menschliche Fahrer gilt dabei eine einfache Regel: dem Auto vor ihnen folgen – wenn es hält, halten sie, wenn es fährt, fahren sie mit.
Wenn Autos selbst den Verkehr regeln
In der Studie simulierten die Forscher, wie sich der Verkehr verändert, wenn autonome Fahrzeuge an Ampeln miteinander kommunizieren. Der Gedanke dahinter ist einfach, aber radikal: Nicht mehr die Ampel gibt den Takt vor, sondern die Fahrzeuge selbst. Sie tauschen drahtlos Daten aus, berechnen gegenseitig ihre Fahrtrouten und handeln in Sekundenbruchteilen aus, wer wann fährt. So vermeiden sie unnötige Stopps und Durchgangsstaus.
„Die weiße Phase nutzt die Rechenleistung der Fahrzeuge selbst“, erklärt Studienautor Ali Hajbabaie, Professor für Verkehrsingenieurwesen an der North Carolina State University. „Rot bedeutet weiterhin Stopp, Grün bedeutet Los – und Weiß zeigt an: Folge einfach dem Fahrzeug vor dir.“
Die vierte Ampelfarbe soll Orientierung geben
Das zusätzliche Lichtsignal soll Menschen im Mischverkehr helfen, die Situation zu verstehen. Wenn autonome Fahrzeuge die Kontrolle übernehmen, beginnt die weiße Phase. Für alle anderen gilt: mitrollen statt manövrieren. Sobald wieder mehr manuell gesteuerte Fahrzeuge unterwegs sind, schaltet das System zurück auf die klassische Ampelfolge.
Das Konzept baut auf einer Idee auf, die das Team bereits 2020 vorgestellt hatte. Damals steuerte noch ein zentraler Computer die Abläufe. Im neuen Modell funktioniert die Kommunikation dezentral: Die Fahrzeuge stimmen sich untereinander ab – das reduziert Ausfälle und macht das System stabiler.
Simulationen zeigen enorme Zeitgewinne
Die Forscher testeten das Modell mit komplexen Verkehrssimulationen. Dabei verglichen sie verschiedene Szenarien – von geringem bis hohem Anteil autonomer Fahrzeuge – und setzten sie gegen moderne Ampelsteuerungen ins Verhältnis.
Die Ergebnisse waren eindrucksvoll:
- Bei nur zehn Prozent autonomer Fahrzeuge sank die durchschnittliche Verzögerung an Kreuzungen um 3,2 Prozent.
- Bei dreißig Prozent Anteil betrug der Rückgang bereits 10,7 Prozent.
- In Szenarien mit überwiegend selbstfahrenden Autos verringerten sich die Wartezeiten um bis zu 94 Prozent – fast vollständiger Durchfluss also.
Auch der Kraftstoffverbrauch nahm ab, weil das häufige Anfahren und Abbremsen entfiel. Das spart Energie, schont Bremsen und senkt Emissionen – ein doppelter Gewinn für Klima und Geldbeutel.
Wie die weiße Phase Staus fast vermeiden könnte
Autonome Fahrzeuge können präziser und schneller reagieren als Menschen. Sie halten Abstände exakt ein, erkennen frühzeitig, wann sie beschleunigen oder bremsen müssen, und handeln nicht impulsiv. Wenn mehrere dieser Systeme zusammenarbeiten, entsteht ein fließender Strom – eine Art „digitale Schwarmintelligenz“ im Straßenverkehr.
Das neue Ampelsignal spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es zeigt an, wann dieser Schwarm-Modus aktiv ist. So behalten auch menschliche Fahrer den Überblick. „Wichtig ist nicht die Farbe selbst“, so Hajbabaie. „Entscheidend ist, dass es ein klares Signal gibt, das Fahrer sofort erkennen.“
Testgebiete könnten bald folgen
Bis die neue Ampelphase in den Alltag einzieht, wird es noch dauern. Die Forscher rechnen nicht mit einer schnellen Umsetzung, denn viele rechtliche und technische Fragen sind offen. Dennoch sehen sie Möglichkeiten für erste Tests – etwa in Häfen, auf Werksgeländen oder an Flughäfen, wo schon heute viele automatisierte Fahrzeuge im Einsatz sind.
Kurz zusammengefasst:
- Forscher der North Carolina State University schlagen eine zusätzliche weiße Ampelphase vor, in der selbstfahrende Autos den Verkehr an Kreuzungen eigenständig regeln.
- Bereits bei einem Anteil von zehn Prozent autonomer Fahrzeuge sinken die Wartezeiten messbar, bei höheren Anteilen lassen sich Staus nahezu vermeiden.
- Das Konzept könnte künftig Kraftstoff sparen, Emissionen senken und den Verkehr sicherer machen – ein Schritt hin zu vernetzter, effizienter Mobilität.
Übrigens: Schon ein sanfteres Anrollen an Ampeln kann den CO2-Ausstoß spürbar senken – und das ganz ohne neue Technik. Wie intelligente Ampeln und vernetzte Autos diesen Effekt künftig vervielfachen könnten, mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Unsplash