Unfruchtbarkeit betrifft jedes sechste Paar – Forscher bringen unbewegliche Spermien wieder zum Schwimmen
Forscher haben herausgefunden, was Spermien lahmlegt – und wie sie wieder in Bewegung kommen.

Wissenschaftler der Universität Osaka haben ein Schlüsselmolekül entdeckt, das die Bewegung von Spermien steuert – ein möglicher Durchbruch für neue Diagnosen und Therapien bei männlicher Unfruchtbarkeit. © DALL-E
Etwa jedes sechste Paar weltweit ist unfruchtbar. In rund der Hälfte aller Fälle liegt der Grund beim Mann – oft, weil die Spermien sich zu langsam bewegen oder gar nicht vorankommen. Wissenschaftler haben nun ein Schlüsselmolekül entdeckt, das darüber entscheidet, ob Spermien überhaupt Energie zum Schwimmen haben. Ohne diesen „Schalter“ bleibt die Befruchtung aus. Wird er im Labor wieder aktiviert, werden Spermien wieder beweglich – und gesunde Nachkommen entstehen.
Ein Team der Universität Osaka identifizierte in seiner Studie ein bisher unbekanntes Protein namens TMEM217, das zusammen mit dem bekannten SLC9C1 die Beweglichkeit der Spermien steuert. Beide Moleküle wirken wie ein Schalter, der die Signalübertragung im Inneren der Spermien aufrechterhält. Fehlt TMEM217, bricht die Kette zusammen, die normalerweise das Enzym sAC stabilisiert – ein Enzym, das das wichtige Molekül zyklisches AMP (cAMP) produziert. Dieses Molekül sorgt dafür, dass der Schwanz der Spermien rhythmisch schlägt. Ohne cAMP verlieren die Zellen ihre Beweglichkeit.
Defekter Schalter führt zu männlicher Unfruchtbarkeit
Die Forscher züchteten Mäuse, denen das TMEM217-Gen fehlte. Diese Tiere waren vollständig unfruchtbar. Zwar bildeten sie Spermien, doch diese bewegten sich kaum und erreichten keine Eizellen. Das Team konnte jedoch zeigen, dass sich dieser Zustand im Labor umkehren lässt. Sobald die unbeweglichen Spermien mit einer cAMP-ähnlichen Substanz behandelt wurden, begannen sie wieder zu schwimmen. Damit gelang die Befruchtung von Eizellen, und es wurden gesunde Jungtiere geboren.
„Wir haben einen einfachen Weg gefunden, unbewegliche Spermien wieder in Gang zu setzen – durch die Zugabe eines cAMP-Analogons“, erklärt Studienleiter Masahito Ikawa. „Das ist ein ermutigender Schritt hin zu praktischen Behandlungsoptionen bei bestimmten Formen männlicher Unfruchtbarkeit.“ Die Experimente bestätigen, dass der TMEM217–SLC9C1–sAC-Komplex für die Bewegungsfähigkeit der Spermien unverzichtbar ist. Fehlt einer dieser Bausteine, versagt der gesamte Mechanismus.
Neue Perspektiven für Diagnostik und Behandlung
Für die Reproduktionsmedizin bedeutet das: Ärzte könnten künftig gezielt testen, ob dieser Schalter bei Patienten gestört ist. Bei einer Fehlfunktion ließe sich die Beweglichkeit der Spermien möglicherweise durch gezielte Wirkstoffe wiederherstellen. Dadurch könnten Paare mit bisher unerklärter Unfruchtbarkeit neue Hoffnung auf eigene Kinder haben.
Auch für Verfahren der künstlichen Befruchtung könnte die Entdeckung wichtig werden. Im Labor lassen sich Spermien in Zukunft vielleicht aktivieren, bevor sie zur Befruchtung eingesetzt werden. Das könnte die Erfolgsraten bei In-vitro-Fertilisationen erhöhen und belastende Behandlungen überflüssig machen.
Proteine arbeiten im Team – und reagieren sensibel
TMEM217 wirkt nur gemeinsam mit SLC9C1. Zusammen halten sie das Enzym sAC stabil, das cAMP produziert. In den Versuchen fehlte SLC9C1 vollständig, sobald TMEM217 ausgeschaltet war. Dadurch brach die Signalübertragung ab, die für den Schwimmimpuls sorgt. Bei normalen Spermien liegt der cAMP-Gehalt dagegen konstant hoch. Das Forschungsteam analysierte über 7.000 Proteine und konnte zeigen, dass genau diese Kombination entscheidend ist.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie eng diese Proteine zusammenarbeiten, um die Beweglichkeit von Spermien zu ermöglichen“, so die Wissenschaftler. Ohne TMEM217 verliere das gesamte System seine Stabilität. Das verdeutlicht, wie empfindlich der Prozess ist, der über Fruchtbarkeit entscheidet. Selbst kleinste Fehler auf molekularer Ebene können eine Schwangerschaft verhindern.
Hoffnung für Millionen Betroffene
Unfruchtbarkeit ist für viele Männer ein schwieriges Thema. Oft wird sie als persönliches Versagen empfunden. Doch biologische Ursachen wie dieser molekulare Schalter zeigen: Die Gründe sind oft klar messbar – und behandelbar. Das könnte helfen, offener mit dem Thema umzugehen.
Etwa 19 Prozent aller Fälle männlicher Unfruchtbarkeit beruhen auf sogenannter Asthenozoospermie, also zu langsamen oder unbeweglichen Spermien. Die neue Studie zeigt erstmals einen konkreten Ansatzpunkt, um diese Störung direkt an der Ursache zu behandeln. Wenn das Verfahren eines Tages beim Menschen funktioniert, könnten Männer, deren Spermien sich nicht bewegen, vielleicht doch biologische Väter werden.
Langfristig könnten die Ergebnisse auch zur Entwicklung neuer Medikamente führen. Wirkstoffe, die den Schalter aktivieren oder blockieren, könnten entweder die Beweglichkeit fördern oder gezielt hemmen – ein möglicher Ansatz für eine reversible, männliche Verhütung.
Kurz zusammengefasst:
- Forscher der Universität Osaka entdeckten zwei Proteine, die wie ein Schalter im Inneren der Spermien wirken und darüber entscheiden, ob sie sich bewegen können oder unbeweglich bleiben.
- Wird dieser Schalter durch eine bestimmte Substanz aktiviert, können selbst unbewegliche Spermien wieder schwimmen und Eizellen befruchten – bei Mäusen entstanden daraus gesunde Nachkommen.
- Die neue Entdeckung eröffnet Chancen für gezieltere Behandlungen männlicher Unfruchtbarkeit – und könnte auch bei künstlicher Befruchtung oder neuen Verhütungsmethoden eine Rolle spielen.
Übrigens: Erstmals zeigt ein Video den Eisprung in voller Länge – gestochen scharf und bis ins kleinste Detail. Die Aufnahmen des Max-Planck-Teams bieten neue Einblicke für die Fruchtbarkeitsforschung. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E