Die Welt überschreitet ihren ersten Klimakipppunkt – jetzt gibt es kein Zurück mehr
Laut dem Global Tipping Points Report 2025 hat die Erde ihre stabile Klimaphase verlassen – erste Systeme kippen, die Folgen sind unumkehrbar.

Viele Korallenriffe haben laut Global Tipping Points Report 2025 ihren Kipppunkt überschritten – ihr Erhalt wäre nur mit massiven Gegenmaßnahmen möglich. © Wikimedia
Es ist der Moment, vor dem Wissenschaftler seit Jahrzehnten warnen: Laut dem neuen Global Tipping Points Report 2025 hat die Erde ihre stabile Klimaphase verlassen – der erste Klimakipppunkt ist überschritten. Die globale Erwärmung wird in Kürze 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen – eine Grenze, die den Übergang in eine neue, gefährlich instabile Ära markiert. Erste Ökosysteme kippen bereits: Warmwasser-Korallen sterben massenhaft, das Eis an den Polen verliert unwiderruflich an Masse. Jeder zusätzliche Bruchteil eines Grades beschleunigt diese Entwicklung – mit Folgen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.
Einmal ausgelöst, greifen die Kippelemente ineinander wie Dominosteine: Das Schmelzen der Polkappen verändert Meeresströmungen, das Abschwächen der atlantischen Zirkulation gefährdet Europas Klima und Ernährungssicherheit, der Amazonas droht großflächig abzusterben. Die Wissenschaft spricht von einer „Kaskade der Kipppunkte“ – einem Punkt ohne Wiederkehr, an dem das Klimasystem sich selbst beschleunigt. Noch bleibt ein kleines Zeitfenster, um gegenzusteuern – aber es schließt sich rasch.
Der Bericht wurde am 13. Oktober 2025 vorgestellt, kurz vor der 30. Weltklimakonferenz in Belém (Brasilien). Er gilt als zentrale internationale Publikation zur Bewertung von Risiken und Chancen sogenannter Kippelemente.
Korallenriffe sterben massenhaft – Klimakipppunkt längst überschritten
Tropische Riffe reagieren äußerst empfindlich auf steigende Temperaturen. Laut dem Bericht liegt ihr Klimakipppunkt bei etwa 1,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Inzwischen beträgt die globale Erwärmung rund 1,4 Grad – die Schwelle ist also längst überschritten.
Selbst wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt würde, könnte der Verlust vieler Riffe kaum noch aufgehalten werden. Hoffnung auf Erholung besteht nur, wenn die globale Temperatur langfristig wieder auf etwa 1 Grad sinkt – was aus heutiger Sicht kaum realistisch ist.
Der Verlust trifft Mensch und Natur zugleich
Korallenriffe gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Erde. Ein Viertel aller Meeresarten hängt direkt oder indirekt von ihnen ab. Der Zusammenbruch der Riffe wirkt sich direkt auf mehrere Bereiche aus. Fischbestände gehen zurück, wirtschaftliche Einnahmen aus dem Tourismus brechen ein. Ohne natürlichen Schutz steigt die Gefahr durch Sturmfluten, besonders für Inselstaaten. Auch die Artenvielfalt im Meer nimmt dramatisch ab.
Besonders betroffen sind Länder mit geringer Anpassungsfähigkeit. Dort steht die Lebensgrundlage Hunderttausender Menschen auf dem Spiel.
Kipppunkte wirken nicht isoliert – sondern miteinander
„Die verheerenden Folgen des Überschreitens von Kipppunkten bedrohen unsere Gesellschaften massiv“, warnt Nico Wunderling von der Goethe-Universität Frankfurt. Ein gekipptes System kann andere mitreißen und so der Auslöser für weitere Kettenreaktionen sein.
Kipppunkte bezeichnen Schwellen, ab denen sich natürliche Systeme selbst verstärken – etwa durch zusätzliche CO2-Freisetzung, Eisschmelze oder den Stillstand von Meeresströmungen. Neben den Korallenriffen gelten auch andere Systeme als stark gefährdet:
- Der Amazonas-Regenwald könnte sich bei 1,5 bis 2 Grad in eine Savannenlandschaft verwandeln. Dabei würde massiv CO2 freigesetzt.
- Die Eisschilde in Grönland und der Westantarktis drohen instabil zu werden – mit langfristigem Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter.
- Die atlantische Umwälzströmung (AMOC) könnte bereits unterhalb von 2 Grad kollabieren. Das hätte gravierende Auswirkungen auf Wetter und Landwirtschaft weltweit.
Ein Zusammenbruch der AMOC würde in Europa zu deutlich kälteren Wintern führen, während sich in anderen Regionen Hitzewellen und Dürren verstärken. Weltweit wären Ernteausfälle wahrscheinlich.
Ökonomische und gesellschaftliche Folgen wären enorm
Besonders verletzlich sind jene Länder, die nur begrenzt auf die Folgen der Klimakrise reagieren können. Der Global Tipping Points Report warnt eindringlich vor einer neuen Dimension klimabedingter Risiken: Millionen Menschen könnten gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen – weil Wasser knapp wird, fruchtbare Böden verloren gehen oder ganze Regionen unbewohnbar werden.
Zusätzlich drohen vermehrte soziale und politische Spannungen durch Verteilungskämpfe um lebenswichtige Ressourcen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen könnten enorm sein: Ernteausfälle, die Zerstörung von Infrastruktur und der Verlust ganzer Siedlungsräume könnten Schäden in Billionenhöhe verursachen – vor allem dort, wo ohnehin kaum Mittel zur Vorsorge vorhanden sind.
Positive Kipppunkte: Wandel ist möglich
Trotz der ernsten Lage nennt der Bericht auch mögliche Hebel für positive Kipppunkte – also Entwicklungen, die eine schnelle und dauerhafte Transformation auslösen können.
Beispiele sind bereits sichtbar:
- In vielen Regionen sind erneuerbare Energien günstiger als fossile Brennstoffe.
- Elektroautos verdrängen zunehmend Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.
- Politische Maßnahmen fördern emissionsarme Technologien wie Wärmepumpen oder klimafreundliche Logistiksysteme.
Wenn eine Minderheit klimafreundliches Verhalten übernimmt, können Nachahmungsprozesse eine größere Wende auslösen – etwa beim Konsumverhalten oder der Mobilität.
Der Bericht ist ein Weckruf. Die Erde tritt in eine Phase ein, in der Kettenreaktionen zwischen Kipppunkten wahrscheinlicher werden. Selbst geringe Temperaturunterschiede zählen: Jedes vermiedene Zehntelgrad verringert die Gefahr, dass weitere Kipppunkte überschritten werden.
Kurz zusammengefasst:
- Die Erde hat laut dem Global Tipping Points Report 2025 ihren ersten Klimakipppunkt überschritten: Tropische Korallenriffe sterben ab, weil die globale Erwärmung von derzeit rund 1,4 Grad über ihrem kritischen Schwellenwert liegt.
- Experten warnen vor einer Kettenreaktion im Erdsystem: Wenn ein System kippt – etwa Korallenriffe, Regenwälder oder Eisschilde – kann es andere mitreißen und den Klimawandel beschleunigen.
- Neben den Risiken nennt der Bericht auch positive Kipppunkte: Sinkende Kosten für erneuerbare Energien, mehr Elektromobilität und gesellschaftliche Verhaltensänderungen können eine selbstverstärkende Bewegung in Richtung Klimaschutz auslösen.
Übrigens: Artenvielfalt allein schützt Wälder nicht vor Dürre. Im Gegenteil – unter Extrembedingungen kann sie den Schaden sogar vergrößern. Mehr dazu in unserem Artikel.