Gebärmutterhals verteidigt sich mit eigener Immunabwehr
Der Gebärmutterhals beteiligt sich aktiv an der Immunabwehr – selbst gesunde Zellen erkennen Erreger und reagieren auf Gefahrensignale.

Forscher der Universität Aarhus rekonstruieren den körpereigenen Schutzmechanismus im Gebärmutterhals mit gezüchteten Mini-Organen. © DALL-E
Viele sexuell übertragbare Infektionen bleiben lange unbemerkt und richten dennoch großen Schaden an. Besonders Chlamydien oder HPV gelten als heimtückisch: Sie verursachen oft keine Beschwerden, greifen aber gezielt den Gebärmutterhals an. Die Folgen reichen von Entzündungen über Unfruchtbarkeit bis hin zu Krebserkrankungen.
Um zu verstehen, wie der Körper auf diese stillen Bedrohungen reagiert, hat ein Team um Professorin Cindrilla Chumduri von der Universität Aarhus untersucht, was genau im Gebärmutterhals (Zervix) passiert – und herausgefunden: Die Schleimhaut spielt eine aktive Rolle in der Immunabwehr und versetzt sogar gesunde Zellen in Alarmbereitschaft.
Der Gebärmutterhals ist mehr als eine Barriere
Lange galt die Zervix nur als schützende Wand gegen Keime. Doch die neue Studie zeigt: Der Gebärmutterhals greift aktiv in die Immunabwehr ein. Um die Reaktion auf Infektionen besser zu verstehen, arbeitete das Team mit sogenannten Organoiden – winzigen, im Labor gezüchteten Nachbildungen von menschlichem Gewebe. Die „Mini-Organe“ verhalten sich ähnlich wie echtes Gewebe und erlauben detaillierte Einblicke, ohne Eingriffe am Menschen.
Die Analyse ergab:
- Auch gesunde Zellen rund um einen Infektionsherd reagieren auf Gefahrensignale.
- Sie schütten gezielt entzündungsfördernde Botenstoffe aus und aktivieren Abwehrgene.
- Besonders Zellen aus dem inneren Teil der Zervix zeigen eine starke Immunantwort und präsentieren dem Immunsystem erkannte Erreger.
Bystander-Zellen im Alarmmodus
Damit zeigt die Studie: Nicht nur infizierte Zellen sind aktiv. Auch ihre unmittelbaren Nachbarn, sogenannte Bystander-Zellen, registrieren die Bedrohung. Obwohl sie selbst nicht befallen sind, setzen sie Abwehrmechanismen in Gang.
„Die stärkste Immunreaktion kam überraschenderweise von Zellen, die gar nicht infiziert waren“, erklärt Erstautor Pon Ganish Prakash. Diese Zellen empfingen offenbar Gefahrensignale aus der Umgebung und schalteten ihre Schutzprogramme ein.
Zwei Zellschichten – zwei Schutzstrategien
Die Forscher entdeckten zudem, dass unterschiedliche Zelltypen im Gebärmutterhals verschiedene Aufgaben erfüllen:
- Die äußere Zellschicht (Ektozervix) schützt und repariert verletztes Gewebe.
- Die innere Zellschicht (Endozervix) erkennt Erregerbestandteile und aktiviert gezielt das Immunsystem.
Beide Schichten arbeiten eng zusammen – wie ein eingespieltes Team mit klarer Aufgabenverteilung.
Impfstoffe an der Schleimhaut ansetzen
Viele bisherige Impfstoffe wirken im ganzen Körper. Bei Infektionen im Intimbereich könnte jedoch eine lokale Immunantwort effektiver sein. „Wenn wir die Schleimhaut gezielt aktivieren, können wir Infektionen dort bekämpfen, wo sie entstehen – ohne den Organismus insgesamt zu belasten“, sagt Professorin Chumduri.
Sogenannte mukosale Impfstoffe könnten direkt am Eintrittsort wirken – etwa gegen Chlamydien oder HPV. Erste Ansätze dafür gibt es bereits.
Neue Hoffnung bei Unfruchtbarkeit, Krebs und Schleimhautinfektionen
Die Erkenntnisse könnten die Behandlung sexuell übertragbarer Infektionen deutlich verbessern. Chlamydien und HPV gehören zu den Hauptursachen für Unfruchtbarkeit und Gebärmutterhalskrebs. Eine frühere Immunreaktion könnte verhindern, dass sich Erreger im Körper ausbreiten.
Schleimhautschichten wie in der Zervix schützen auch Lunge, Harnwege oder den Darm. Neue Therapieansätze könnten dort ebenfalls ansetzen – etwa bei Atemwegsinfekten oder Blasenentzündungen.
Kurz zusammengefasst:
- Im Gebärmutterhals sorgt eine aktive Immunabwehr dafür, dass spezialisierte Zellen Erreger wie Chlamydien frühzeitig erkennen und bekämpfen – selbst gesunde Nachbarzellen werden dabei in Alarmbereitschaft versetzt.
- Unterschiedliche Zelltypen übernehmen spezielle Aufgaben: Außen schützen und reparieren sie, innen senden sie Immun-Signale – so arbeitet das Gewebe wie ein gut organisiertes Team.
- Das eröffnet neue Wege für Therapien: Lokale Impfstoffe und Medikamente könnten Infektionen gezielt an Ort und Stelle bekämpfen – mit weniger Nebenwirkungen und besserem Schutz vor Unfruchtbarkeit oder Krebs.
Übrigens: Wer täglich Obst isst, kann seine Lunge wirksam vor den Folgen von Luftverschmutzung schützen – vor allem Frauen profitieren deutlich. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E