Neuer Katalysator macht Plastik-Recycling billiger – und Sortieren bald überflüssig
Ein neuer Nickel-Katalysator recycelt Plastik energiesparend und ohne Sortierung in kurzer Zeit zu wertvollen Rohstoffen wie Öl und Wachs.

Polyolefine stecken in Joghurtbechern, Snackverpackungen, Shampooflaschen – weltweit entstehen über 220 Millionen Tonnen pro Jahr, doch weniger als 1 bis 10 Prozent werden recycelt. © Pexels
Von der Frischhaltefolie in der Küche bis zur Wasserflasche im Supermarkt – Plastik ist aus dem Alltag nicht wegzudenken. Doch der Segen des praktischen Materials ist zugleich ein Fluch. Immer mehr Verpackungen und Einwegprodukte landen in Müllverbrennungsanlagen oder auf Deponien. 2023 wurden weltweit mehr als 400 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt – und die Menge wächst rasant. Forscher erwarten, dass die Produktion bis 2050 auf über 1,1 Milliarden Tonnen pro Jahr steigt.
Die ernüchternde Wahrheit: Nur ein Bruchteil des Plastiks wird tatsächlich recycelt. Ein Grund dafür ist die aufwendige Trennung nach Kunststoffarten. Mischungen aus Polyethylen, Polypropylen oder PVC gelten als schwer verwertbar. Doch nun berichten Forscher der Northwestern University von einer Entwicklung, die das ändern könnte. Ein spezieller Katalysator könnte das Recycling grundlegend verändern – er spart Energie, Zeit und Kosten und macht das Sortieren womöglich überflüssig.
Wie der neue Katalysator funktioniert
Im Zentrum der Studie steht ein nickelbasierter Katalysator. Er wird hergestellt, indem die Verbindung Ni(COD)₂ auf eine stark saure Oberfläche aus Aluminiumoxid aufgebracht wird. Dieses Material sorgt dafür, dass Kunststoffabfälle nicht nur zerlegt, sondern auch nach chemischer Struktur unterschieden werden.
Das bedeutet: Statt unterschiedliche Plastiksorten vorher zu trennen, erledigt der Katalysator die Arbeit direkt im Reaktor. Ein Verfahren, das Recyclinganlagen entlasten und die Kosten deutlich senken könnte. Weitere Vorteile des Verfahrens:
- Temperaturvorteil: Während bisherige Methoden bis zu 700 Grad Celsius erfordern, arbeitet der neue Ansatz bei nur 200 Grad.
- Hohe Ausbeute: Innerhalb von 20 Minuten zerlegt der Katalysator fast 99,5 Prozent einer Polypropylen-Probe. Dabei entstehen mehr als 89 Prozent Öl- und Wachsprodukte.
- Breite Anwendbarkeit: Statt minderwertiger Pellets entstehen hochwertige Stoffe, die sich vielseitig nutzen lassen, wie Öle für Schmierstoffe, Wachse für Kerzen oder technische Anwendungen oder Treibstoffe für Fahrzeuge.
Besonders effizient funktioniert die Umwandlung bei Polypropylen, einem der meistverwendeten Kunststoffe für Verpackungen und Becher.
Problemfall Mischkunststoffe: Lösung in Sicht
Eines der größten Hindernisse im Recycling ist die Vermischung unterschiedlicher Plastikarten. Bisher führte das oft dazu, dass ganze Chargen unverwertbar wurden. Die neue Studie zeigt jedoch: Der Katalysator kann selbst hier bestehen.
Bei einer Mischung aus 81 Prozent Polypropylen und 19 Prozent Polyethylen zerfiel das Polypropylen zuverlässig zu Ölprodukten. Das Polyethylen blieb fast unverändert. Diese automatische „Selbsttrennung“ macht das Verfahren für kommunale Entsorger besonders interessant – Sortieranlagen könnten damit überflüssig werden.
PVC: Vom Störfaktor zum Vorteil
Noch erstaunlicher sind die Ergebnisse beim berüchtigten Kunststoff PVC. Schon kleinste Anteile galten bislang als „Gift“ für den Recyclingprozess. Eine einzige belastete Charge konnte Tonnen von Plastikabfall unbrauchbar machen.
Doch im neuen Verfahren zeigte PVC einen überraschenden Effekt: Statt die Aktivität des Katalysators zu hemmen, beschleunigte es die Reaktion sogar. Selbst mit 25 Prozent PVC im Materialmix lief der Prozess stabil und schneller als zuvor.
Wiederverwendbar und robust
Ein weiterer Vorteil: Der Katalysator lässt sich mehrfach nutzen. Nach einigen Durchläufen genügt eine Behandlung mit Aluminiumethyl, um die ursprüngliche Aktivität wiederherzustellen. Mindestens drei Zyklen waren im Versuch ohne Einbußen möglich.
Damit kombiniert das Verfahren mehrere Stärken:
- niedrige Temperaturen
- hohe Ausbeuten
- Stabilität auch bei Störstoffen
- Wiederverwendbarkeit
Das neue Verfahren könnte gleich mehrfach Vorteile bringen: Weniger Plastik landet in Verbrennungsanlagen oder auf Deponien, Kommunen sparen Kosten, und die entstehenden Öle und Wachse ersetzen Erdölprodukte. Damit sinkt der CO2-Ausstoß – und erstmals besteht die Chance, den weltweiten Plastikberg tatsächlich schrumpfen zu lassen.
Kurz zusammengefasst:
- Ein neuer Nickel-Katalysator ermöglicht Recycling von Plastik ohne Sortierung, bei niedrigen Temperaturen und mit hoher Energieeinsparung.
- Polypropylen lässt sich fast vollständig in nur 20 Minuten in wertvolle Flüssigprodukte wie Öle und Wachse umwandeln.
- Mischkunststoffe können gezielt getrennt und sogar PVC-haltige Abfälle verarbeitet werden; der Katalysator bleibt mehrfach nutzbar.
Übrigens: Nicht nur Lebensmittel und Wasser belasten den Körper mit Mikroplastik – auch die Atemluft enthält enorme Mengen winziger Kunststoffpartikel. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass Erwachsene täglich rund 68.000 Partikel einatmen. Mehr dazu in unserem Artikel.
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