Wenn Arbeit nicht satt macht: Viele Geflüchtete hungern trotz Job
Viele Geflüchtete in den USA rutschen nach dem ersten Job in Hunger, weil staatliche Hilfen wegfallen und Sprachbarrieren den Zugang zu Unterstützung blockieren.

83 Prozent der befragten Geflüchteten in den USA gaben an, im vergangenen Jahr nicht ausreichend Nahrung gehabt zu haben. © Unsplash
Wer sein Heimatland verlässt, steht nicht nur vor einer ungewissen Zukunft, sondern auch vor dem mühsamen Aufbau eines neuen Alltags. In den USA beginnt für viele Geflüchtete ein Leben zwischen Hoffnung und Unsicherheit: eine fremde Sprache, ein ungewohntes Umfeld, der Druck, schnell Arbeit zu finden. Doch in dieser sensiblen Phase zeigt sich, wie nah Sicherheit und Not beieinander liegen können.
Eine aktuelle Untersuchung der University of Utah macht deutlich, dass gerade dann, wenn Geflüchtete erste Jobs antreten, das Risiko von Hunger wächst – und mit ihm die Gefahr, erneut ins soziale Abseits zu rutschen.
Viele Geflüchtete berichten von Hunger nach erstem Job
Die Forscher führten 36 Interviews in Arabisch, Dari, Kinyarwanda und Englisch. Das Ergebnis war alarmierend: 83 Prozent der Befragten gaben an, in den letzten zwölf Monaten nicht ausreichend Nahrung gehabt zu haben. Besonders auffällig war der Moment der ersten Anstellung. Kaum hatten Geflüchtete einen Job, verloren sie ihre Lebensmittelmarken, während das Einkommen nicht reichte, um den Bedarf der Familie zu decken.
Eine Frau schilderte: „Als mein Mann anfing zu arbeiten und sie unsere Lebensmittelmarken kürzten, sind wir zusammengebrochen. Wir konnten den Monat nicht genug Essen besorgen.“
Vier Zeitpunkte verstärken das Risiko
SNAP ist das größte Lebensmittelhilfeprogramm der USA. Es funktioniert wie eine Guthabenkarte, mit der Familien einkaufen können. Für viele Geflüchtete ist es die wichtigste Stütze im Alltag. Doch sobald Einkommen fließt, werden Leistungen gekürzt. Sozialarbeiter begleiten Neuankömmlinge nur am Anfang, danach fehlt Orientierung im Hilfssystem.
Eine syrische Frau sagte: „Unser Sozialarbeiter wechselt alle drei Monate. Kaum hat sich unsere Situation mit ihm eingespielt, wird er schon wieder ausgetauscht.“
Die Studie zeigt, dass Ernährungsunsicherheit nicht zufällig entsteht, sondern sich an bestimmten Punkten besonders zuspitzt. Vier Zeitphasen erwiesen sich dabei als besonders riskant:
- Erster Job: Hilfen fallen weg, Einkommen reicht nicht.
- SNAP-Erneuerung nach sechs Monaten: Viele wissen nicht, dass ein neuer Antrag nötig ist.
- Wegfall der Sozialarbeiter: Nach drei Monaten endet die enge Begleitung durch Resettlement-Agenturen.
- Schwankende Jobs und zusätzliche Ausgaben: Krankheit oder Arbeitslosigkeit reißen sofort Lücken.
Informationslücken belasten zusätzlich
Viele Befragte wussten nicht, wie sie Hilfen verlängern oder wo sie kostenlose Ausgaben finden. Ein Mann berichtete: „Wir kannten nur die Lebensmittelmarken, aber von Tafeln oder Kirchen wussten wir nichts.“
Schon kleine Fehler führten dazu, dass Familien wochenlang ohne Unterstützung dastanden. Für Haushalte mit Kindern bedeutet das leere Teller und ständige Sorgen.
Sprachbarrieren verschärfen die Situation – wer Formulare nicht versteht, verliert den Anspruch auf Leistungen.
Gesundheit leidet massiv – Milliardenkosten für das System
Ernährungsunsicherheit führt nicht nur zu Hunger. Unter den Befragten litten 14 Prozent an Diabetes, 17 Prozent an Bluthochdruck. Stress und schlechte Ernährung belasten Körper und Psyche enorm.
Auch die Gesellschaft spürt die Folgen. Laut der Studie entstehen dem US-Gesundheitssystem durch Ernährungsunsicherheit Kosten von mehr als 53 Milliarden Dollar pro Jahr.
Was Geflüchtete fordern
Die Befragten nannten fünf Punkte, die ihnen helfen könnten:
- Sprachbarrieren abbauen: Mehr praxisnahe Sprachkurse, die sich mit Arbeit vereinbaren lassen.
- Feste Ansprechpartner: Vertrauenspersonen, die regelmäßig nachfragen.
- Mehr Informationen: Übersetzte Broschüren und klare Hinweise zu Hilfsangeboten.
- Gärten für Eigenanbau: Gemüseanbau schafft Versorgung und Stabilität.
- Anpassung von SNAP: Höhere Einkommensgrenzen und längere Laufzeiten.
Eine Frau brachte es auf den Punkt: „Ich wünschte, sie würden es so ändern, dass man auch dann noch Zugang zu Lebensmittelmarken hat, wenn jemand anfängt zu arbeiten.“
Armut betrifft viele
Die Ergebnisse lassen sich auch auf andere Gruppen übertragen. Wer in Europa in schlecht bezahlten Jobs arbeitet und knapp über den Hilfsgrenzen liegt, kennt ähnliche Probleme. Arbeit schützt nicht automatisch vor Armut.
Das Risiko steigt, wenn Hilfen abrupt enden und Kosten den Alltag belasten. Dieses Muster zeigt sich auch bei Teilzeitkräften ebenso wie Menschen mit befristeten Verträgen.
Warum es uns alle angeht
Das Thema zeigt mehr als die Lage Geflüchteter. Es macht deutlich, wie brüchig soziale Netze sind, wenn Informationen fehlen oder Leistungen unflexibel sind. Für die Gesellschaft bedeutet das steigende Gesundheitskosten, mehr Unsicherheit und weniger Stabilität.
Die Untersuchung der University of Utah liefert nicht nur ein Bild der Geflüchteten in den USA, sondern auch Denkanstöße für europäische Sozialsysteme. Sie zeigt, wie wichtig verlässliche Hilfen, existenzsichernde Arbeit und klare Informationen sind.
Kurz zusammengefasst:
- Viele Geflüchtete geraten in den USA trotz erster Jobs in Hunger, weil Hilfen wie SNAP gekürzt werden, während das Einkommen nicht reicht.
- Die Studie der University of Utah beschreibt vier kritische Phasen: Jobbeginn, Verlängerung von Hilfen, Ende der Sozialarbeiter-Betreuung sowie Jobverluste und Zusatzkosten.
- Fehlende Informationen und Sprachbarrieren verstärken die Not, die Folgen reichen von leeren Tellern bis zu Milliardenkosten im Gesundheitssystem.
Übrigens: Auch in deutschen Kliniken bleibt Hunger ein unsichtbares Risiko. Jährlich sterben rund 200.000 Patienten mit Mangelernährung – mehr dazu in unserem Artikel.
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