Hitze-Alarm für deutsche Städte – Neues KI-Modell zeigt metergenau, wo es brenzlig wird

Ein neues KI-Modell berechnet erstmals metergenau, wo in deutschen Städten künftig extreme Hitzebelastung droht – tagsüber und nachts.

Hitze-Alarm in Städten: KI zeigt, wo es bis 2099 brenzlig wird

Freiburg könnten künftig bis zu 480 Stunden im Jahr mit gefühlten Temperaturen über 26 Grad drohen. © Pexels

Die Sommer in deutschen Städten werden länger, heißer – und zur wachsenden Belastung. Wohnungen heizen sich auf, Nächte bringen kaum noch Abkühlung. Grünflächen und Klimaanlagen stoßen an ihre Grenzen, denn dicht bebaute Stadtviertel speichern die Wärme und geben sie nur langsam wieder ab.

Immer mehr Kommunen suchen nach Lösungen, um ihre Infrastruktur an die zunehmende Hitze anzupassen. Dabei helfen könnte ein neues KI-Modell, das ziemlich genau vorhersagt, wo die Hitzebelastung besonders stark steigen wird.

Präzise KI-Prognose: Wie sich städtische Hitze entwickeln wird

Ein neu entwickeltes KI-gestütztes Modell liefert nun erstmals verlässliche, metergenaue Klimaprognosen für ganze Städte. Es kombiniert Satellitenbilder, Wetterdaten und Geoinformationen zu einem detaillierten Gesamtbild – darunter Gebäudehöhen, Vegetation, Versiegelung und Luftzirkulation. Entwickelt wurde das System von der Universität Freiburg und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), erprobt in Freiburg im Breisgau.

Das Besondere: Die KI kann zeigen, wo sich die gefühlte Hitzebelastung innerhalb einer Stadt bis zum Jahr 2099 verändern wird – abhängig vom Emissionsszenario und der Bebauung vor Ort. Je nach Szenario steigt die Zahl der heißen Stunden deutlich an, besonders in stark versiegelten Gebieten.

Freiburg im Hitzetest: Bis zu 480 Stunden über 26 Grad pro Jahr möglich

Die Forscher haben drei mögliche Zukunftsszenarien durchgerechnet – je nachdem, wie stark der weltweite CO2-Ausstoß in den nächsten Jahrzehnten ausfällt. In der ungünstigsten Variante zeigt das Modell: In einzelnen Stadtteilen Freiburgs könnten künftig bis zu 480 Stunden pro Jahr eine spürbare Hitzebelastung auftreten – also Stunden, in denen sich die Temperatur für den menschlichen Körper wärmer als 26 Grad anfühlt. Zum Vergleich: Heute liegt dieser Wert bei etwa 135 Stunden im Jahr.

Noch bedenklicher wird es bei den extremen Hitzetagen. Das Modell zeigt, dass die Zahl der Stunden mit gefühlten Temperaturen über 38 Grad – also Werte, die für Kreislauf und Gesundheit besonders belastend sind – fast zehnmal so häufig auftreten könnten wie bisher.

Besonders stark betroffen sind laut Simulation Industriegebiete mit wenig Schatten, versiegelten Flächen und viel Beton. Aber auch historische Innenstädte mit enger Bebauung speichern die Hitze tagsüber – und kühlen nachts nur langsam ab. Diese anhaltende Wärme kann den Körper zusätzlich belasten, vor allem in ohnehin heißen Sommern.

Schatten schützt tagsüber – doch nachts wird es kritisch

Wie stark ein Stadtviertel unter der Hitze leidet, hängt stark von seiner Struktur ab. Die Forscher untersuchten unter anderem ein Wohngebiet mit altem Baumbestand, ein Gewerbegebiet und die Innenstadt. Ihr Fazit:

  • Tagsüber reduzieren Bäume und enge Gassen die gefühlte Temperatur deutlich
  • Nachts speichern Gebäude und Baumkronen die Hitze und verzögern die Abkühlung

Dr. Ferdinand Briegel vom KIT erklärt: „Nachweislich führt ein Schatten durch Gebäude und Bäume tagsüber zu weniger Hitzestressstunden. Nachts kehrt sich dieses Bild um, da Gebäude und Baumkronen Strahlung ‘einsperren’ und abgeben.“

Mit KI lässt sich berechnen, wo Städte künftig besonders unter Hitze leiden

Das KI-Modell liefert nicht nur hochauflösende Klimakarten – es arbeitet auch deutlich schneller als herkömmliche Verfahren. Während klassische Klimasimulationen Tage benötigen, berechnet das neue System die Ergebnisse in einem Bruchteil der Zeit. Die durchschnittliche Abweichung liegt dabei unter drei Grad Celsius – ein bemerkenswert genauer Wert für urbane Klimamodellierung.

So stark nimmt die Hitzebelastung laut Modell zu:

  • Tagsüber steigt die Zahl der Hitzestunden im schlimmsten Szenario um 63 Prozent
  • Nachts nimmt die Belastung um 600 Prozent zu
  • Die extrem heißen Stunden (UTCI ≥ 38 °C) steigen um rund 914 Prozent
  • Besonders belastete Viertel lassen sich frühzeitig identifizieren
KI-Modell berechnet die Hitzebelastung in Freiburg – präzise bis vor jede Haustür. © Ferdinand Briegel / KIT
KI-Modell berechnet die Hitzebelastung in Freiburg – präzise bis vor jede Haustür. © Ferdinand Briegel / KIT

Städte können gezielter reagieren – statt pauschal zu planen

Statt großflächiger Maßnahmen ohne genaue Datenlage bietet das Modell erstmals die Möglichkeit, gefährdete Quartiere gezielt zu analysieren. Ob Baumpflanzungen, Verschattung oder bessere Durchlüftung: Stadtplaner können die nötigen Maßnahmen genau dort umsetzen, wo die Belastung künftig am größten wird.

„Mit unserem KI-Modell können wir die Hitzeentwicklung in Freiburg buchstäblich vor jeder Haustür analysieren“, sagt Prof. Dr. Andreas Christen von der Universität Freiburg.

Auch bei Neubauten liefert das System wertvolle Hinweise: Wo sollte man auf Beton verzichten, wie viel Grün braucht ein neues Viertel – und wo droht nachts die größte Belastung?

Drei Faktoren entscheiden über künftige Hitze-Hotspots

Wie stark Städte betroffen sein werden, hängt laut den Forschern vor allem von folgenden Faktoren ab:

  • Bebauungsdichte und Versiegelung – je mehr Beton, desto mehr gespeicherte Wärme
  • Vegetation – Bäume kühlen tagsüber, bremsen aber nachts die Abkühlung
  • Luftzirkulation – enge Bebauung verhindert das Entweichen der warmen Luft

Diese Unterschiede lassen sich mit dem KI-Modell jetzt flächendeckend sichtbar machen – bis auf einen Meter genau.

Kurz zusammengefasst:

  • Eine neue KI simuliert, wie stark die Hitzebelastung in deutschen Städten bis 2099 zunimmt – mit einer räumlichen Auflösung von nur einem Meter.
  • Besonders betroffen sind dicht bebaute Stadtteile ohne Schatten – dort kann sich die Zahl der heißen Stunden pro Jahr mehr als verdreifachen.
  • Das Modell hilft Städten, gezielt zu planen: Begrünung, Verschattung und Belüftung können dort verbessert werden, wo die Belastung am höchsten wird.

Übrigens: Auch beim Baumaterial gibt es Fortschritte: Ein neu entwickelter Beton reflektiert fast das gesamte Sonnenlicht und bleibt über fünf Grad kühler als die Umgebung. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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