Diabetes greift Nerven und Knochen an – neue Ursache für Knochenschwund entdeckt

Durch Diabetes ausgelöste Nervenschäden stören die Knochenerneuerung und erhöhen unbemerkt das Risiko für Brüche und Instabilität.

Diabetes verursacht Nervenschäden und schwächt die Knochen

Viele denken bei Diabetes nur an Blutzucker – doch bei der Erkrankung geraten auch Nervensystem und Knochen oft aus dem Gleichgewicht. © Pexels

Typ-2-Diabetes entsteht häufig durch eine ungesunde, fettreiche Ernährung – das ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass die Krankheit nicht nur Blutgefäße und Hautnerven schädigt, sondern auch Nerven tief im Knochen. Eine internationale Studie unter Leitung von Dr. Aaron James von der Johns Hopkins University, gemeinsam mit der Sichuan University, zeigt nun erstmals, wie eng Nervenschäden und Knochenschwund bei Diabetes zusammenhängen.

Die neuen Erkenntnisse liefern eine mögliche Erklärung dafür, warum Diabetiker deutlich häufiger Knochenbrüche erleiden – selbst ohne vorherige Stürze.

Nervenschäden im Knochen schwächen die Knochenstruktur direkt

Die Versuchsreihe begann mit einer einfachen Annahme: Eine ungesunde Ernährung kann Diabetes auslösen. Bei jungen Mäusen reichte dafür eine fettreiche Kost über zwölf Wochen. Sie legten kräftig zu – ihr Körpergewicht stieg um das 1,5-Fache, die Fettmasse vervierfachte sich, der Blutzucker schoss in die Höhe.

Doch damit nicht genug: Die Tiere entwickelten deutliche Zeichen einer peripheren Neuropathie – also eine Nervenschädigung außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Die Nervenfasern in der Haut nahmen um 32 Prozent ab. Noch dramatischer war der Befund im Knochen: Im Bereich der Knochenhaut (Periost) reduzierte sich die Zahl der Nerven je nach Lage um bis zu 69 Prozent.

Nerven weg, Knochen schwach – eine direkte Verbindung

Die Folgen waren messbar: Die Knochen verloren an Dichte, Dicke und Stabilität. Vor allem im Inneren der Knochen schrumpfte das Volumen zum Teil um mehr als 40 Prozent. Auch die äußere Dicke nahm um über acht Prozent ab – ein deutliches Zeichen für strukturelle Schwäche.

Besonders drastisch war der Befund in den langen Röhrenknochen: Dort verringerte sich die Dichte der Nervenfasern um bis zu 76 Prozent – ein massiver Rückgang, der auch die Reparaturfähigkeit des Knochens stark beeinträchtigen dürfte.

Die Studienergebnisse im Überblick:

• Nervenverlust: bis zu 76 Prozent weniger Nerven in den Röhrenknochen
• Knochenschwund: 11,9 Prozent weniger Fläche, über 40 Prozent weniger Volumen
• Zellveränderung: weniger Zellteilung, mehr Umwandlung in Fettzellen

„Diese Veränderungen gehen direkt auf die fehlende Kommunikation zwischen Nerv und Knochen zurück“, sagt Studienleiter Dr. Aaron James. „Das ist ein bislang unterschätzter Risikofaktor für Knochenbrüche bei Diabetes.“

Forscher beobachteten eine verringerte Dichte von Nervenzellen in der Knochenhaut von Mäusen, die mit fettreicher Nahrung gefüttert wurden. ©  Studie
Forscher beobachteten eine verringerte Dichte von Nervenzellen in der Knochenhaut von Mäusen, die mit fettreicher Nahrung gefüttert wurden. ©  Studie

Wenn die Knochenzellen plötzlich Fett speichern

Besonders interessant war, was in den Zellen der Knochenhaut passierte. Statt sich wie gewohnt zu teilen und neue Knochenzellen zu bilden, veränderten sich die Zellen grundlegend. Sie entwickelten sich verstärkt zu Fettzellen, die mit Knochenaufbau nichts mehr zu tun haben.

Schuld daran ist das gestörte Signalnetz im Knochen. Drei wichtige Steuerzentralen – die Signalwege WNT, TGFβ und MAPK – arbeiteten deutlich schwächer. Genau sie aber steuern normalerweise das Zellwachstum und die Regeneration des Knochens.

Nervensignale helfen dem Knochen beim Heilen

Die Forscher wollten wissen: Lässt sich der Schaden rückgängig machen? Im Labor gaben sie Knochenzellen von diabetischen Mäusen eine Nährlösung, die zuvor mit gesunden Nervenzellen in Kontakt war. Das Ergebnis war deutlich: Die Zellen teilten sich wieder, produzierten neues Knochengewebe und aktivierten den zuvor lahmgelegten MAPK-Signalweg.

„Dass sich die Funktionen mit Nervensignalen wiederherstellen lassen, hat uns überrascht“, sagt Dr. James. „Wir könnten damit eine neue Strategie entwickeln, um Knochenschwäche bei Diabetes gezielt zu behandeln.“

Jeder zweite Diabetiker betroffen – oft ohne es zu wissen

Die neuen Erkenntnisse betreffen nicht nur Mäuse. Denn die zugrunde liegende Krankheit – die periphere Neuropathie – ist bei Menschen mit Diabetes weit verbreitet. Schätzungen zufolge entwickelt rund die Hälfte aller Patienten diese Nervenschädigung. Meist macht sie sich durch Kribbeln oder Taubheit in Füßen und Händen bemerkbar.

Doch der Blick in den Knochen zeigt: Auch dort verlieren Nerven ihre Funktion und gefährden damit die Knochengesundheit – laut Studienautoren bislang völlig unbeachtet.

Ob der Mechanismus der gezielten Stimulierung von Nervenimpulsen auch bei Menschen gezielt genutzt werden kann, muss noch untersucht werden. Doch die Richtung ist klar: Die Gesundheit des Knochens hängt nicht nur vom Kalzium oder Hormonen ab – sondern auch von funktionierenden Nervensignalen.

Kurz zusammengefasst:

  • Nervenschäden bei Diabetes beeinträchtigen nicht nur das Schmerzempfinden, sondern auch direkt die Gesundheit der Knochen.
  • Durch gestörte Nervensignale verlieren diese an Stabilität, da Reparaturprozesse ausbleiben und sich Knochenzellen in Fettzellen verwandeln.
  • Forscher konnten zeigen, dass bestimmte Nervensignale den Knochenaufbau reaktivieren – ein möglicher Ansatz für neue Therapien bei Knochenschwund.

Übrigens: Nicht immer reicht gesunde Ernährung oder Sport, um Krankheiten wie Diabetes oder Krebs zu verhindern. Ein neues KI-Modell der Northwestern University zeigt, wie versteckte Genkombinationen das Risiko mitbestimmen – selbst bei ähnlichem Lebensstil. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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