Dinosaurier fraßen Sand mit – ihre Zähne verraten ein erstaunlich hartes Leben

Die größten Pflanzenfresser der Erdgeschichte fraßen wie Maschinen. Doch ihre Zähne zeigen: Die riesigen Dinosaurier waren wählerischer als gedacht.

Fossile Zähne zeigen Fressverhalten der Dinosaurier

Einige der größten Landlebewesen aller Zeiten waren richtige Feinschmecker: Sie spezialisierten sich auf ganz bestimmte Pflanzen und sicherten so ihr Überleben. © Tadek Kurpaski

Die Dinosaurier haben riesige Landlebewesen hervorgebracht: Die größten waren die Langhalsdinosaurier, die sogenannten Sauropoden. Ein einzelner Sauropode war bis zu zehnmal so schwer wie ein Elefant und etwa sechsmal so lang wie eine Giraffe – mit einem Hals, der allein so groß war wie ein ganzer Bus. In einigen Regionen der Welt lebten mehrere Arten dieser riesigen Tiere Seite an Seite – doch wie schaffen es so viele Pflanzenfresser, die täglich tonnenweise Nahrung aufnehmen müssen, über eine so lange Zeit hinweg zu koexistieren? Die Zähne der Dinosaurier liefern jetzt eine Antwort auf diese Frage. 

Ein Forschungsteam hat mithilfe feinster Zahnschmelzanalysen Spuren gefunden, die Aufschluss über das Verhalten und die Lebensräume der Langhalssaurier geben. Die Ergebnisse, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution, sind verblüffend: Selbst winzige Kratzer auf fossilen Zähnen erzählen Geschichten über Migration, Nahrung und klimatische Herausforderungen vor rund 150 Millionen Jahren.

Zahnschmelz verrät, was auf dem Speiseplan stand

Verwendet wurde eine spezielle Technik: die Dental Microwear Texture Analysis, kurz DMTA. Entwickelt wurde sie am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) zur Untersuchung von Säugetieren. In der neuen Studie kam sie erstmals gezielt bei Dinosauriern zum Einsatz.

Das Team analysierte 322 hochauflösende 3D-Scans von fossilen Zahnoberflächen. Die Proben stammten aus drei bedeutenden Fundstätten: der Lourinhã-Formation in Portugal, der Morrison-Formation in den USA und der Tendaguru-Formation in Tansania. Insgesamt wurden 39 Sauropoden-Individuen untersucht. Die Oberflächenaufnahmen erfolgten direkt an den Zähnen oder mithilfe von Silikonabdrücken.

„Wir sprechen hier von Strukturen im Mikrometerbereich“, erklärt Dr. Daniela Winkler von der Universität Kiel. „Diese winzigen Kratzer entstehen durch den Kontakt zwischen Zahn und Nahrung. Sie zeigen uns, was die Tiere in ihren letzten Tagen gefressen haben.“

Zahn des Giraffatitan aus Tanzania. Die Abnutzungsfläche mit den Kratzern auf der Zahnspitze ist gut sichtbar. © Jan Kersten, Freie Universität Berlin, Fachrichtung Paläontologie.
Zahn des Giraffatitan aus Tanzania. Die Abnutzungsfläche mit den Kratzern auf der Zahnspitze ist gut sichtbar.
© Jan Kersten, Freie Universität Berlin, Fachrichtung Paläontologie.

Arten und Regionen unterschieden sich deutlich

Die Ergebnisse offenbarten deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen von Sauropoden. Besonders vielfältige Abnutzungsmuster fanden sich bei den Flagellicaudaten (zu Deutsch „Peitschenschwänze“), zu denen auch Diplodocus zählt. Diese Tiere waren offenbar nicht sehr wählerisch, sie fraßen ganz unterschiedliche Pflanzenarten.

Ganz anders verhielt es sich da bei den Camarasauriern aus Portugal und den USA. Ihre Zahnspuren waren auffallend gleichförmig. „Das Klima war damals stark saisonal geprägt“, sagt Dr. Emanuel Tschopp, der am LIB und an der Freien Universität Berlin tätig ist. „Die Konsistenz der Abnutzung deutet darauf hin, dass diese Tiere wahrscheinlich saisonal wanderten, um gezielt auf dieselben Nahrungsquellen zuzugreifen.“

Tansanias Dinosaurier kämpften mit Sand im Futter

Die Sauropoden aus Tansania zeigten besonders starke und komplexe Abnutzungsspuren. Ihre Heimat, die Tendaguru-Formation, war tropisch bis halbtrocken, mit ausgedehnten Wüstengürteln. Die Pflanzen dort waren häufig mit Quarzsand bedeckt. Dieser beschädigte die Zähne und hinterließ deutlich erkennbare Kratzer.

Insgesamt wiesen die Zähne aus Tansania deutlich mehr Verschleiß auf als die aus Portugal oder den USA. Als Hauptursache gilt laut den Forschern das Klima: Umweltfaktoren wie Trockenheit oder sandiger Boden beeinflussten den Zahnabrieb, nicht die Ernährung.

Nischenverhalten existierte schon vor 150 Millionen Jahren

Laut der Studie haben komplexe ökologische Zusammenhänge wie Nischenaufteilung, klimabedingte Anpassungen und Konkurrenzvermeidung bereits bei den Dinosauriern eine Rolle gespielt. 

Die Sauropoden in der Morrison-Formation zeigen eine enorme Artenvielfalt – diese Vielfalt war nur möglich, weil sich die Arten unterschiedlich verhielten und verschiedene Nahrungsnischen besetzten.

Emanuel Tschopp

Nischenbildung heißt: Verschiedene Dinosaurierarten fraßen unterschiedliche Pflanzen, damit sie sich nicht gegenseitig das Futter wegnahmen. So konnten sie nebeneinander leben.

Auch Winkler betont den evolutionären Wert dieser Entdeckung: „Wir zeigen, dass Nischenbildung und Migrationsverhalten nicht nur heute, sondern auch vor 150 Millionen Jahren bedeutend waren.“

Original-Schädel des Giraffatitan aus Tanzania im Museum für Naturkunde Berlin. © Daniela E. Winkler
Original-Schädel des Giraffatitan aus Tanzania im Museum für Naturkunde Berlin. © Daniela E. Winkler

Ohne die Beobachtung von Nischenbildung wäre Charles Darwin vielleicht nie auf die moderne Evolutionstheorie gekommen. Darwin erkannte sie nicht an Dinos, sondern an ihren heute lebenden Verwandten – den Vögeln: 

  • Bei der Beobachtung von Finken auf den Galapagosinseln erkannte Darwin, dass es dort viele eng miteinander verwandte, aber dennoch sehr unterschiedliche Arten gab
  • Diese Finken unterschieden sich in Größe, Lebensweise und Schnabelform – gerade letztere ist ein klares Resultat von Nischenbildung.

Um nicht mit anderen Finken um Nahrung zu konkurrieren, spezialisierten sich einzelne Gruppen auf bestimmte Nahrungsquellen: So besaßen Finken, die sich von Insekten ernährten, schmale Schnäbel. Diese sind zwar nicht mehr so kräftig, erlauben es ihnen aber, ihren Kopf schnell zu bewegen und so flinke Insekten zu fangen. Finken, die sich von Nüssen ernährten, hatten hingegen dicke, dafür aber auch behäbige Nussknacker-Schnäbel entwickelt. So hatte jeder Vogel seine bevorzugte Nahrung und die unterschiedlichen Arten kamen sich nicht in die Quere – so ähnlich wie die Langhalssaurier der Urzeit.

Neue Fragen sollen mit mehr Daten beantwortet werden

Die Arbeit der Forscher ist mit dieser Entdeckung noch nicht abgeschlossen. Geplant sind weitere Untersuchungen zu möglichen Unterschieden zwischen Jungtieren und ausgewachsenen Sauropoden. Auch Zwergformen wie Europasaurus aus Niedersachsen stehen im Fokus.

„Für mich ist das Spannende, dass wir diese Methodik immer weiter verfeinern können – und jedes neue Sample gibt uns wieder ein Puzzlestück mehr“, sagt Winkler. „Unsere Werkzeuge werden besser – und damit auch unser Bild davon, wie das Leben damals wirklich war.“

Kurz zusammengefasst:

  • Forscher konnten mithilfe mikroskopischer Kratzer auf fossilen Dinosaurierzähnen Rückschlüsse auf deren Ernährung, Verhalten und Umwelt ziehen.
  • Die Analyse zeigt: Einige Arten wanderten saisonal zu bestimmten Futterplätzen, andere lebten in trockenen Regionen mit sandiger Nahrung.
  • Die Methode belegt, dass bereits vor 150 Millionen Jahren Nischenbildung und klimatische Anpassung das Überleben der Sauropoden bestimmten.

Übrigens: Nicht nur die Zähne liefern Hinweise auf das Leben der Dinosaurier – auch ihre Fußspuren erzählen Geschichten. In Schottland entdeckten Forscher 131 Abdrücke, die ein friedliches Nebeneinander von Raubsauriern und Pflanzenfressern zeigen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Tadek Kurpaski auf Wikimedia unter CC BY 2.0

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