Auf 20 Meter genau: Deutsches KI-Frühwarnsystem soll Extremwetter besser vorhersagen
Ein Team vom Max-Planck-Institut entwickelt ein KI-Frühwarnsystem, das Extremwetter wie Dürre oder Flut auf 20 Meter genau berechnet.

Altenahr, acht Tage nach der Flut im Ahrtal: Katastrophen wie diese lassen sich in Zukunft vielleicht mit KI besser vorhersagen. © Bettina Vier
Dürre, Starkregen oder Hitze trifft viele Regionen überraschend – und richtet immer häufiger schwere Schäden an. Um besser auf solches Extremwetter vorbereitet zu sein, hat ein internationales Forschungsteam um Markus Reichstein und Vitus Benson vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena ein neuartiges KI-Frühwarnsystem entwickelt. Die Erkenntnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin Nature Communications.
Das neue Frühwarnsystem richtet sich vor allem an Behörden, Katastrophenschützer und Hilfsorganisationen – also an jene, die im Ernstfall schnell und lokal handeln müssen. Ziel ist es, Risiken frühzeitig zu erkennen und Ressourcen dort einzusetzen, wo der Schaden am größten sein könnte. Dass das dringend nötig ist, zeigte sich besonders im Jahr 2024:
- 335 Menschen starben infolge von Überschwemmungen in Europa
- Über 400.000 Menschen waren von den Folgen durch Extremwetter betroffen, viele verloren ihr Zuhause
- 18 Milliarden Euro Sachschaden entstanden durch Starkregen und Flut
- Südosteuropa erlebte die längste Hitzewelle seit Beginn der Wetteraufzeichnungen
- Sturmtief Boris traf acht Länder in Mittel- und Osteuropa besonders schwer
- Auch die Region Valencia in Spanien wurde im Oktober von extremen Niederschlägen verwüstet
Das Wetter allein ist nicht das Problem – entscheidend sind die Folgen vor Ort. Bereits 2021 wurde das deutlich: Während Starkregen in Brandenburg trockenes Land regenerierte, führte dieselbe Wetterlage im Ahrtal zu einer Flutkatastrophe mit 135 Toten. Die KI soll dazu beitragen, solche regionalen Unterschiede besser zu erfassen – und gezielt vor den tatsächlichen Gefahren zu warnen.
KI-Frühwarnsystem für Extremwetter
Das System basiert auf einem modularen Aufbau und vereint Erkenntnisse aus Umweltforschung, Technologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaft. Es soll Behörden und Hilfsorganisationen unterstützen – langfristig aber auch Gemeinden, Landwirte und Privatpersonen, etwa per App.
KI-Frühwarnsystem aus Jena erkennt Schäden durch Extremwetter erstaunlich präzise:
- Hochaufgelöste Erfassung von Extremwetterschäden
Die KI analysiert Umwelt- und Satellitendaten, um festzustellen, wo Starkregen, Hitze oder Dürre besonders stark wirken. Dabei werden nicht nur Ausmaß und Intensität erfasst, sondern auch die konkreten Schäden an Böden, Pflanzen oder Infrastruktur. - Präzise Wetterprognosen
Auf Grundlage aktueller Wetterdaten erkennt die KI komplexe Muster, die auf ungewöhnliche Entwicklungen hinweisen. So lassen sich auch lokale Starkregen oder extreme Trockenperioden besser und früher vorhersagen. - Prognosen ökologischer und wirtschaftlicher Auswirkungen
Das System berechnet, welche konkreten Schäden ein Wetterereignis verursachen könnte – etwa Ernteausfälle, Bodenverluste oder beschädigte Straßen. Damit können Regionen gezielter reagieren und Vorsorgemaßnahmen treffen. - Wirksame Kommunikation
Damit Warnungen ernst genommen werden, müssen sie verständlich sein. Das System greift auf Erkenntnisse aus Psychologie und Kommunikationsforschung zurück, um Meldungen so zu formulieren, dass sie zum Handeln motivieren. - Lokale Risikoanalyse mit 20-Meter-Auflösung
Die KI bewertet Risiken mit hoher Genauigkeit – bis auf einzelne Grundstücke. Ob Acker oder Kleingarten: Für jedes Gelände lässt sich abschätzen, wie stark eine Dürre zuschlägt. Entscheidend sind lokale Merkmale wie Boden, Gefälle oder Vegetation. - Frühwarnung für alle – weltweit
Besonders in Regionen mit schlechter Datenlage kann das System Leben retten. Es soll nicht exklusiv bleiben, sondern weltweit funktionieren – auch in Gebieten mit wenig Infrastruktur.
KI denkt Wetterrisiken strategisch und frühzeitig mit
„Wir müssen Frühwarnung strategisch denken – über Wochen, Monate und Jahre hinweg“, sagt Markus Reichstein. Es gehe nicht nur um akute Reaktionen, sondern auch um langfristige Planung: bei der Anpassung von Landwirtschaft, Städtebau oder Hochwasserschutz. Künstliche Intelligenz könne helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen und Schäden zu begrenzen, bevor sie entstehen.
Langfristig soll das System als App verfügbar sein. Es könnte dann auch lokal detaillierte Informationen liefern – etwa für Fragen wie:
- Wann ist der richtige Zeitpunkt zur Bewässerung?
- Welche Stadtteile sind bei Starkregen am stärksten gefährdet?
- Wo muss schnell gehandelt werden?
„Unsere Entwicklung zur Vorhersage von Dürrefolgen soll den Zugang demokratisieren und kleinräumige Informationen für alle verfügbar machen“, erklärt Vitus Benson. Die Verbindung aus Technologie, wissenschaftlicher Expertise und verständlicher Kommunikation soll helfen, die wachsenden Risiken durch Extremwetter weltweit besser zu bewältigen.
Kurz zusammengefasst:
- Ein KI-basiertes Frühwarnsystem für Extremwetter soll künftig helfen, Schäden durch Fluten, Dürren oder Hitze frühzeitig und präzise zu erkennen und gezielt zu begrenzen.
- Ein internationales Team am Max-Planck-Institut hat das System entwickelt, das Wetterfolgen bis auf 20 Meter genau vorhersagen kann.
- Es kombiniert meteorologische Daten mit Umweltanalysen und psychologischen Erkenntnissen, um verständliche und lokal angepasste Warnungen zu ermöglichen.
Übrigens: Wenn Starkregen und Hitze zusammenkommen, wird es für Städte brandgefährlich. Neue Daten zeigen, wie schnell sich Regenmengen bei steigenden Temperaturen zuspitzen – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Bettina Vier via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0
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