Zynismus kann nicht die Antwort auf unsere Probleme sein – wir sollten mehr Hoffnung wagen
Jamil Zaki erforscht die negativen Auswirkungen von Zynismus auf Gesundheit und Gesellschaft und bietet Strategien zur Überwindung.
In einem Interview erklärte Neurowissenschaftler Jamil Zaki, wie sich Zynismus negativ auf unsere Gesundheit und unser Leben auswirken kann. Zudem gibt er Tipps für eine positivere Denkweise.
Jamil Zaki, Direktor des Stanford Social Neuroscience Laboratory ist ein Zyniker auf dem Weg der Besserung, wie er sich selbst bezeichnet. In seinem Buch „Hope for Cynics: The Surprising Science of Human Goodness“ will Zaki Zynikern dabei helfen, gesündere Denkmuster zu entwickeln.
Dass seine eigenen zynischen Ansichten mehr schaden als nützen, erkannte Zaki nach dem Tod von Emil Bruneau, einem Neurowissenschaftler, Friedensaktivist und persönlichen Freund. Er starb am 30. September 2020 im Alter von 47 Jahren an einem Hirntumor. Zaki beschreibt Bruneau als „einen der hoffnungsvollsten Menschen, die ich je getroffen habe“. Nach dessen Tod begann er, seine zynische Perspektive auf die Welt zu hinterfragen.
Über den negativen Einfluss von Zynismus auf die Gesundheit und das Leben von Menschen sowie über sein Buch hat er in einem Interview im NewScientist gesprochen. Die wichtigsten Punkte fassen wir euch hier zusammen.
Die Schäden des Zynismus
Zaki erklärt, Zyniker sähen in der Menschheit vorrangig Selbstsucht, Gier und Unehrlichkeit. Diese Einstellung beeinflusse ihr Verhalten und ihre Interaktionen negativ. Sie vertrauen weniger und interpretieren soziale Hinweise oft fehl. Dies führe zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität und beeinträchtige zwischenmenschliche Beziehungen.
Zyniker leiden häufiger unter Depressionen und Angstzuständen. Zudem neigen sie zu einem ungesünderen Lebensstil und ihre Beziehungen sind meist kürzer und weniger erfüllend. Auch finanziell gehe es Zynikern schlechter. Allerdings geht aus den Studien nicht klar hervor, ob es sich dabei nicht um Auswirkungen eines schweren Lebens handeln könnte. Einen guten Grund, zynisch zu werden, sieht Zaki trotzdem nicht.
Zynismus korreliert mit Not, und wir können die Auswirkungen auf die Ergebnisse nicht vollständig ausschließen. […] Zynismus allein mag unser Leben nicht ruinieren, aber er versüßt es auch nicht.
Jamil Zaki
Strategien gegen den inneren Zyniker
Zynismus muss nach Zaki einer „hoffnungsvollen Skepsis“ weichen. Das heißt, anderen Menschen gegenüber unvoreingenommen sein, anstatt nur auf die eigenen Annahmen zu vertrauen sowie unsere Tendenz zum Negativen zu verstehen und ihr aktiv entgegenwirken.
Als nächstes müsse man bestimmte Verhaltensweisen ablegen, die anderen Menschen das Gefühl vermitteln, das wir ihnen gegenüber zynisch sind. Zuletzt geht es auch darum, was wir mit anderen teilen. Oft reden wir nur über Menschen, die anderen Schaden oder Leid zufügen – nicht diejenigen, die helfen und Gutes bewirken. Hier müsse man sich laut Zaki neu orientieren.
Auch interessant:
- Framing: Ist das Glas für dich halb voll oder halb leer?
- Wissenschaftliches Denken fördern: Einfluss der Eltern auf Kinder
- Soziologe lehnt Generationenkonzept ab: „Wir alle denken anders als früher“
Kulturelle Glorifizierung von Zynismus
In unserer Kultur wird Zynismus oft als Zeichen von (sozialer) Intelligenz angesehen. Doch Studien zeigen das genaue Gegenteil: Zyniker schneiden in analytischen, mathematischen und sozialen Aufgaben oft schlechter ab. Dieser Mythos kann dazu führen, dass wir zynisches Verhalten fördern, obwohl es uns tatsächlich schadet.
Nicht nur das: Zynische Gemeinschaften schneiden auch sozial und wirtschaftlich schlechter ab. Länder mit einem hohen Maß an Misstrauen gegenüber ihren Mitmenschen erleben oft stagnierendes oder rückläufiges Wirtschaftswachstum. Zaki argumentiert, dass das soziale Gefüge und die wirtschaftliche Leistung einer Nation stark von dem Maß an Vertrauen abhängen, das ihre Bürger einander entgegenbringen.
Was du dir merken solltest:
- Zynismus fördert Misstrauen und negative Sichtweisen, was das soziale Verhalten und die Gesundheit beeinträchtigt, indem es zu Depressionen und einem ungesunden Lebensstil führt.
- Zaki plädiert für eine „hoffnungsvolle Skepsis“, bei der Menschen offen und unvoreingenommen bleiben, um der negativen Tendenz entgegenzuwirken und positive Veränderungen zu fördern.
- Kulturelle Annahmen, die Zynismus als Zeichen von Intelligenz glorifizieren, stehen im Widerspruch zu Studien, die zeigen, dass Zyniker in analytischen und sozialen Aufgaben schlechter abschneiden.
Bild: © Vecteezy