Erhöhte Babysterblichkeit nach Fledermaussterben? Studie vermutet Kettenreaktion in der Natur als Grund
Der Rückgang der Fledermäuse in den USA führte zu einem höheren Einsatz von Insektiziden, was möglicherweise die Babysterblichkeit erhöht hat.
Was passiert, wenn die Natur aus dem Gleichgewicht gerät? Eine neue Studie zeigt eine besorgniserregende Entwicklung in den ländlichen Regionen der USA. Dort sind viele Fledermäuse an einer Pilzerkrankung gestorben, und das könnte indirekt zu einer höheren Babysterblichkeit geführt haben. Eyal Frank von der University of Chicago behauptet, dass dies durch den um 31 Prozent signifikant gestiegenen Einsatz von Insektiziden passiert ist, weil die Fledermäuse als Schädlingsbekämpfer fehlten. Die Ergebnisse der Untersuchung über diese Kettenreaktion in der Natur wurden im Fachmagazin Science veröffentlicht, berichtet NewScientist.
Insektizide erhöhen die Babysterblichkeit
Zwischen 2006 und 2017 verloren die Landwirte in den betroffenen Regionen etwa 27 Milliarden US-Dollar an Ernteerträgen und zusätzlichen Kosten für Insektizide. Gleichzeitig stieg die Babysterblichkeit um 8 Prozent. Eyal Frank führt diesen Anstieg auf den vermehrten Einsatz von Insektiziden zurück, die er als „toxisch von Natur aus“ beschreibt. Selbst wenn diese Chemikalien in den gesetzlich erlaubten Mengen verwendet werden, scheinen sie laut Frank gesundheitliche Folgen zu haben.
Insektizide und ihre schädlichen Auswirkungen nehmen zu
Die Krankheit, die die Fledermäuse dezimierte, wird als „Weißnasenkrankheit“ bezeichnet und trat erstmals 2006 bei Fledermäusen in einer Höhle im Bundesstaat New York auf. Seitdem hat sie sich in ganz Nordamerika ausgebreitet und Millionen von Fledermäusen das Leben gekostet. Forscher entdeckten, dass in den Landkreisen, in denen die Krankheit auftrat, der Insektizideinsatz jährlich stieg, während in anderen Regionen der Verbrauch relativ stabil blieb.
Von den insgesamt 50 Fledermausarten in den USA leiden 11 unter dem Pilz. Frank geht davon aus, dass etwa 70 Prozent dieser Arten in betroffenen Regionen ausgestorben sind. Der wirtschaftliche Wert der Fledermäuse für die Landwirtschaft ist daher noch größer, als seine bisherigen Berechnungen vermuten lassen, berichtet NewScientist.
Mehr zum Thema Biodiversität:
- Geheimnisse im Honig: Der Schlüssel zur Rettung der Biodiversität
- Biodiversität und Gentechnik: Wer darf künftig von der Natur profitieren?
- Biodiversität nimmt ab: Blüht in der Schweiz bald nur noch Löwenzahn?
Steigende Babysterblichkeit – ein besorgniserregender Trend
Neben den ökonomischen Schäden gibt es auch einen menschlichen Preis: Frank analysierte Daten zur Säuglingssterblichkeit und kam zu dem Schluss, dass in den von der Krankheit betroffenen Landkreisen 1.300 Babys mehr starben als in gesunden Landkreisen. Dabei wurden Unfälle und Morde aus den Statistiken herausgerechnet. Er vermutet, dass der vermehrte Einsatz von Insektiziden für diesen Anstieg verantwortlich ist.
Eine genaue Erklärung, wie die Insektizide zu den Todesfällen führten, bleibt jedoch unklar. Franks Daten lassen jedoch darauf schließen, dass der direkte Kontakt mit den Chemikalien durch die Nahrung unwahrscheinlich ist. Wahrscheinlicher sei eine Aufnahme durch die Atemwege oder kontaminierte Wasserquellen. NewScientist zitiert auch Experten wie Roel Vermeulen von der Universität Utrecht, der darauf hinweist, dass Stress durch den entstandenen Einkommensverlust in den ländlichen Gemeinden ebenfalls eine Rolle spielen könnte. „Daher ist es fraglich, ob die beobachteten Effekte auf die Säuglingssterblichkeit ausschließlich auf den vermehrten Einsatz von Insektiziden zurückzuführen sind“, sagt er.
Könnte es ein ähnliches Phänomen auch in Deutschland geben?
Was ließe sich aus der Studie auf Deutschland übertragen? Prof. Dr. Julia Mink, Juniorprofessorin für Umweltökonomik, Nachhaltigkeit und Ungleichheit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, betont, dass es „schwer einzuschätzen“ sei, wie die Ergebnisse der US-Studie auf Deutschland übertragbar sind. Ein wesentlicher Grund dafür sei der Mangel an Daten zur Pestizidbelastung der deutschen Bevölkerung. Allerdings vermutet sie: „Für eine ähnliche Exposition sind sehr wohl ähnliche Effekte in Deutschland zu erwarten.“ Die Wissenschaftlerin fordert daher weitere Untersuchungen zu diesem Thema. Wie die Apotheken-Umschau berichtet, könnten solche Studien entscheidende Erkenntnisse für den Umgang mit Pestiziden hierzulande liefern.
Ein massives Fledermaussterben wie in den USA hält Prof. Dr. Rita Triebskorn, Expertin für Ökotoxikologie, in Europa für unwahrscheinlich. „Die europäischen Fledermausarten haben offensichtlich eine langfristige Toleranz gegenüber dem Erreger der Weißnasenkrankheit entwickelt“, erklärt sie. Generell sei es jedoch schwierig, den erhöhten Einsatz von Pestiziden direkt mit gesundheitlichen Folgen für den Menschen in Verbindung zu bringen. „Das zeigen auch die aktuellen Debatten um die Wiederzulassung von Glyphosat“, fügt sie hinzu, wie die Apotheken-Umschau weiter berichtet.
Was du dir merken solltest:
- Der Rückgang der Fledermäuse in den USA führte zu einem vermehrten Einsatz von Insektiziden, was möglicherweise die Babysterblichkeit um 8 Prozent erhöhte.
- Zwischen 2006 und 2017 verloren die betroffenen Landwirte rund 27 Milliarden US-Dollar durch niedrigere Erträge und höhere Kosten für Insektizide.
- Experten weisen darauf hin, dass in Deutschland ähnliche Effekte möglich wären, es aber an Daten zur Pestizidbelastung der Bevölkerung mangelt.
Bild: © USFWS/Ann Froschauer via Wikimedia unter Public Domain